|
|
Eine Anekdote erzählt man sich gern in Wieslet: Eines Tages erschien ein
amerikanisches Ehepaar, das in der New Yorker Staatszeitung einen Artikel
über das Friedrich-Ludwig-Museum gelesen hatte, dann eigens nach Zürich
geflogen und mit einem Leihwagen nach Wieslet gefahren war. Das Paar aus New
Jersey besichtigte das Museum und war begeistert.
Dies ist nur eine Geschichte, die den großen Erfolg dieses Museums im
idyllischen Kleinen Wiesental belegt. ,,Das Kleinod fast am Ende der Welt",
wird es liebevoll in einem Eintrag im Gästebuch genannt. Fast 10 000
Kunstfreunde haben seit der Eröffnung am 16.April 1999 die Bilder des
Expressionisten Friedrich Ludwig und die bisher zwölf Sonderausstellungen
gesehen. Mit 2000 Besuchern pro Jahr, die nicht aus der Region, sondern sogar
aus Amerika und Australien kommen, verzeichnet man steigende Besucherzahlen -
entgegen dem landläufigen Trend. Die märchenhafte Erfolgsgeschichte des
Museums im alten Pfarrhaus, das in zehn Räumen auf zwei Stockwerken rund 150
Werke des Wiesleter Malers Friedrich Ludwig (1895-1970) beherbergt, hängt eng
mit dem Engagement der Initiative "Kunst und Kultur Kleines Wiesental"
(KUK) zusammen, die dieses Museum gegründet hat. Die Farbenfreudigkeit,
Ausdruckskraft und Vielfalt der expressionistischen Ludwig- Bilder, der Charme
des alten Pfarrhauses und die Begeisterungsfähigkeit der aktiven KUK-Leute machen zusammen den Reiz dieses Kleinods der regionalen
Museumslandschaft aus. Begonnen hat die Wiederentdeckung und
"Heimkehr" eines vergessen Malers Anfang der 80er Jahre. Damals entdeckte
der Kunstsammler Professor Sigurd Marien auf einer Fahrt im Bayerischen in einem
Barockschrank Bilder von Friedrich Ludwig. Er war fasziniert von den Arbeiten
und kauft später den Nachlass auf, insgesamt 2000 Bilder. Auf den Spuren des
Malers aus Wieslet kam die hiesige KuK in Kontakt mit Sigurd Marien, sichtete
zusammen mit ihm den riesigen Bilderschatz, war total überwältigt. Und bald
war die Idee eines Museum geboren. Im leer stehenden Pfarrhaus fand man
geeignete Räume, die von den eifrigen KuK-Helfern in Eigenleistung hergerichtet
und gestrichen wurden. Wie Hans Viardot von der KuK sagt, war das Bestreben, den
Künstler Friedrich Ludwig in seinem Heimatort bekannter zu machen. So achtet
man bei der Bildaus- wahl für das Museum darauf, von allen Phasen des Malers
etwas zu zeigen. "Die vielfältigen Motive und Techniken, die tollen
Farben" hätten die Besucher von Anfang an begeistert. Man sieht frühe Bilder aus den 20er Jahren, als Ludwig
in Paris war, dort studiert hat und mit dem Impressionismus in Verbindung kam,
man sieht Akte und viele expressionistische Porträts aus den 30er Jahren. Viele
Werke lassen Einflüsse von Ernst Ludwig Kirchner, mit dem Ludwig befreundet
war, aber auch von Cézanne erkennen. In der Nazi-Zeit galten die Bilder von
Ludwig als "entartete Kunst", er selbst wurde verfolgt und verfemt und
musste in die Schweiz emigrieren. Im oberen Stockwerk mit den Dachschrägen
finden sich viele heimische Landschaften aus Wieslet und Umgebung. Ein
Raum versammelt Bilder mit biografischen Hintergrund - viele Selbstporträts,
aber auch Bildnisse seines Vaters und seiner Mutter, die verraten, welch
hervorragender Porträtist der Künstler war. In anderen Bildern erscheinen dann
visionäre Gesichter in Bäumen, Dächern, Blumen. Darin äußerte sich die
dunklere Seite des Malers, der zeitweise in zwei Welten lebte, oft ein hartes,
entbehrungsreiches Dasein führte und verarmt 1970 in der Nervenheilanstalt
Gabersee starb. Zeitlebens galt der 1895 in Wieslet geborene Maler, der hier
aufgewachsen ist und in Schopfheim eine Malerlehre machte, als Einzelgänger,
als eigenwilliger Charakter, ruheloser Geist, Zugvogel und unsteter Wanderer.
Seit er seine Heimat in jungen Jahren verlassen hatte, zog es ihn in
verschiedenen Städte und Länder, nach Paris, Frankfurt, Florenz, Berlin, in
die Schweiz. Auch kunsthistorisch ist er wegen seiner Vielfalt schwer einzuordnen. Doch was die
Qualität seiner Arbeiten anbetrifft, sind sich die Kunsthistoriker einig.
Vieles gehört zum Besten, was in Deutschland nachdem Expressionismus gemalt
wurde, urteilte Reinhard Müller-Mehlis. Um das Museum immer wieder zu beleben
und den Besuchern etwas Neue zu bieten, wurde im Jahre 2000 mit
Sonderausstellungen begonnen. Vorgestellt werden hauptsächlich Künstler aus
dem Wiesental und der Region. Als nächstes sind Ausstellungen zum 100.
Geburtstag des Bildhauers Philipp Flettner aus Bürchau und von Rudolf Senn aus
Basel, dessen Familie aus Raich stammt, geplant. Die Idee der Kunst im
ländischen Raum funktioniert nur dank des ehrenamtlichen Engagements des
KUK-Teams, das für einen reibungslosen Museums- und Ausstellungsbetrieb sorgt ohne jegliche öffentliche Unterstützung - bis auf
einen einmaligen Betrag von 250 Euro vom Landkreis. Rund 600 Euro müssen
monatlich für Miete und Unterhalt aufgebracht werden, was über Spenden,
Mitgliedsbeiträge, Kalenderverkauf und Eintrittsgelder finanziert wird. Auch
deshalb freut man sich über das anhaltende Interesse an diesem Museums Schatz,
der sich weitab der Kunstzentren so gut behauptet.
Bericht der Badischen Zeitung / Januar 2004 / Autor:
Redaktion
|