Ein
Ort des Lernens und Gedenkens
Zahlreiche Klein-Wiesentäler fanden den Weg
an den Ort des Geschehens im Elbenschwander Wald
Es sind die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs: Die
russische Armee umzingelt die Berliner Reichskanzlei, die Wehrmacht ist
längst in Auflösung begriffen und französische Truppen marschieren in
Lörrach ein. Dennoch sorgen Durchhalteparolen, der Glaube an den Endsieg
und Fanatismus vielerorts für weiteres Blutvergießen – auch auf dem
Hirschkopf im Kleinen Wiesental, wo Ende April 1945 acht jugendliche
Zwangsarbeiter hinterrücks erschossen wurden. Von Michael Werndorff
Kleines Wiesental. Ein Ort des Lernens und Gedenkens soll die Kuppe des
Hirschkopfs im Elbenschwander Wald zukünftig sein, wie Hans Viardot,
Vorsitzender des Vereins Kunst und Kultur (KuK) sagte. Am Samstag fand
dort eine Gedenkveranstaltung statt, zu welcher KuK eingeladen hatte.
Zahlreiche Klein-Wiesentäler haben trotz Regen, Kälte und Nebel den Weg an
den Ort des Geschehens gefunden, um gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen
das Vergessen zu setzen, wie der KuK-Vorsitzende Hans Viardot betonte.
„Denn wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die
Gegenwart“, verwies der Kenner der Geschichte des Kleinen Wiesentals nicht
nur auf die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch auf das aktuelle
Weltgeschehen.
Dieses sorgt bei dem Zeitzeugen Ernst Brenneisen, der damals unweit der
Karabinerstellungen der Werwölfe lebte, für mahnende Worte: „Die letzten
Wahlen haben gezeigt, dass die Politik wieder Menschen hervorbringt, die
nur Menschenverachtung auszeichnet.“ Um dem entgegenzuwirken, sei es
wichtig, die Jugend zu sensibilisieren, machte der 83-Jährige sichtlich
ergriffen deutlich.
Es sei ein ganz dunkles Kapitel des Kleinen Wiesentals, unterstrich der
KuK-Vorsitzende vor rund 30 Zuhörern. Viardot erinnerte daran, dass ein
Mantel des Schweigens lange Zeit das Geschehen umhüllte, und die
Initiatoren des Mahnmals bei ihrem Anliegen teils Gegenwind erfuhren. Erst
in der jüngeren Zeit hätten sich Zeitzeugen gefunden, die bereit waren,
ihr Wissen zu teilen und maßgeblich halfen, die Tatorte zu suchen und für
die Nachwelt zu erhalten. „Für uns war es wichtig, dass wir uns an die
Geschichte erinnern, weil dieses Kapitel im Kleinen Wiesental immer wieder
verdrängt wurde, obwohl es genug Gelegenheiten gab, davon zu erfahren“,
ließ Viardot die juristische Aufarbeitung und Medienberichte Revue
passieren. Während bereits vor 20 Jahren ein Mahnmal im Hägelberger Wald
aufgestellt wurde, wo fanatische Werwölfe drei Zwangsarbeiter umbrachten,
markiert nun seit Herbst 2015 ein fast drei Tonnen schwerer Granitfelsen
aus dem Tegernauer Steinbruch den Ort, an dem sich am 25. April 1945 eine
Tragödie abspielte. Fünf junge Männer aus Osteuropa mussten dort
Verteidigungsstellungen und Depots für Verpflegung und Waffen ausheben,
bevor sie hinterrücks erschossen und anschließend mit Reisig bedeckt
wurden. Der Vorfall sei auch deswegen tragisch gewesen, weil die fast
gleichaltrigen Opfer und Täter ein geradezu kameradschaftliches Verhältnis
pflegten, zitiert der ehemalige Ortsvorsteher von Hägelberg, Hans-Georg
Koger, die Aussage eines Täters. Die Tat verübten Heranwachsende „Wir
haben gemeinsam vorgelesen, gesungen und geraucht“, gab ein Hitlerjunge
damals zu Protokoll. Die Tat verübten Heranwachsende unter dem Kommando
eines SS-Offiziers, die nach dem Einmarsch der Franzosen einen
Partisanenkrieg führen sollten. Ausgelöscht war das Leben der
Verschleppten, das der Hitlerjungen, deren Namen zwar bekannt, aber
ungenannt bleiben sollen, war verpfuscht, so Viardot. Im Vorfeld wurde
diskutiert, ob man mit dem Mahnmal auch der Hitlerjungen gedenken sollte,
doch bleibe letztlich der Unterschied zwischen Täter und Opfer bestehen,
sei sich der KuK-Vorstand einig gewesen, erklärte Mitinitiator Hansjürg
Baumgartner. Er stelle klar, dass das Gedenken an die jungen Täter an
einem anderen Ort stattfinden müsse. „Mit diesem Stein erinnern wir Gott
an die Opfer von Elbenschwand und doch auch an die Täter, die schuldig
geworden sind, ohne schuld zu sein“, gab Pfarrer Christian Rave zu
bedenken. Im Anschluss führte Förster Rüdiger Motzke zu den nicht einfach
zu findenden Maschinengewehr-Stellungen, die vermutlich zur Verteidigung
des kleinen Passes am Wolfsacker oberhalb von Elbenschwand angelegt wurden
– ein angesichts der Kriegslage aberwitziges Vorhaben, so Viardot. Damit
die Gruben nicht weiter erodieren, sollen einige Bäume in der
unmittelbaren Nähe gefällt werden, erläuterte der Förster.
MT / Bericht und Fotos: Michael Werndorff
|