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Presse - Aktuell                       

Markgräfler Tagblatt - Bericht vom 25. April 2016

 

Ein Ort des Lernens und Gedenkens

Zahlreiche Klein-Wiesentäler fanden den Weg
an den Ort des Geschehens im Elbenschwander Wald





Es sind die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs: Die russische Armee umzingelt die Berliner Reichskanzlei, die Wehrmacht ist längst in Auflösung begriffen und französische Truppen marschieren in Lörrach ein. Dennoch sorgen Durchhalteparolen, der Glaube an den Endsieg und Fanatismus vielerorts für weiteres Blutvergießen – auch auf dem Hirschkopf im Kleinen Wiesental, wo Ende April 1945 acht jugendliche Zwangsarbeiter hinterrücks erschossen wurden. Von Michael Werndorff Kleines Wiesental. Ein Ort des Lernens und Gedenkens soll die Kuppe des Hirschkopfs im Elbenschwander Wald zukünftig sein, wie Hans Viardot, Vorsitzender des Vereins Kunst und Kultur (KuK) sagte. Am Samstag fand dort eine Gedenkveranstaltung statt, zu welcher KuK eingeladen hatte. Zahlreiche Klein-Wiesentäler haben trotz Regen, Kälte und Nebel den Weg an den Ort des Geschehens gefunden, um gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, wie der KuK-Vorsitzende Hans Viardot betonte. „Denn wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“, verwies der Kenner der Geschichte des Kleinen Wiesentals nicht nur auf die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch auf das aktuelle Weltgeschehen.



Dieses sorgt bei dem Zeitzeugen Ernst Brenneisen, der damals unweit der Karabinerstellungen der Werwölfe lebte, für mahnende Worte: „Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass die Politik wieder Menschen hervorbringt, die nur Menschenverachtung auszeichnet.“ Um dem entgegenzuwirken, sei es wichtig, die Jugend zu sensibilisieren, machte der 83-Jährige sichtlich ergriffen deutlich.

Es sei ein ganz dunkles Kapitel des Kleinen Wiesentals, unterstrich der KuK-Vorsitzende vor rund 30 Zuhörern. Viardot erinnerte daran, dass ein Mantel des Schweigens lange Zeit das Geschehen umhüllte, und die Initiatoren des Mahnmals bei ihrem Anliegen teils Gegenwind erfuhren. Erst in der jüngeren Zeit hätten sich Zeitzeugen gefunden, die bereit waren, ihr Wissen zu teilen und maßgeblich halfen, die Tatorte zu suchen und für die Nachwelt zu erhalten. „Für uns war es wichtig, dass wir uns an die Geschichte erinnern, weil dieses Kapitel im Kleinen Wiesental immer wieder verdrängt wurde, obwohl es genug Gelegenheiten gab, davon zu erfahren“, ließ Viardot die juristische Aufarbeitung und Medienberichte Revue passieren. Während bereits vor 20 Jahren ein Mahnmal im Hägelberger Wald aufgestellt wurde, wo fanatische Werwölfe drei Zwangsarbeiter umbrachten, markiert nun seit Herbst 2015 ein fast drei Tonnen schwerer Granitfelsen aus dem Tegernauer Steinbruch den Ort, an dem sich am 25. April 1945 eine Tragödie abspielte. Fünf junge Männer aus Osteuropa mussten dort Verteidigungsstellungen und Depots für Verpflegung und Waffen ausheben, bevor sie hinterrücks erschossen und anschließend mit Reisig bedeckt wurden. Der Vorfall sei auch deswegen tragisch gewesen, weil die fast gleichaltrigen Opfer und Täter ein geradezu kameradschaftliches Verhältnis pflegten, zitiert der ehemalige Ortsvorsteher von Hägelberg, Hans-Georg Koger, die Aussage eines Täters. Die Tat verübten Heranwachsende „Wir haben gemeinsam vorgelesen, gesungen und geraucht“, gab ein Hitlerjunge damals zu Protokoll. Die Tat verübten Heranwachsende unter dem Kommando eines SS-Offiziers, die nach dem Einmarsch der Franzosen einen Partisanenkrieg führen sollten. Ausgelöscht war das Leben der Verschleppten, das der Hitlerjungen, deren Namen zwar bekannt, aber ungenannt bleiben sollen, war verpfuscht, so Viardot. Im Vorfeld wurde diskutiert, ob man mit dem Mahnmal auch der Hitlerjungen gedenken sollte, doch bleibe letztlich der Unterschied zwischen Täter und Opfer bestehen, sei sich der KuK-Vorstand einig gewesen, erklärte Mitinitiator Hansjürg Baumgartner. Er stelle klar, dass das Gedenken an die jungen Täter an einem anderen Ort stattfinden müsse. „Mit diesem Stein erinnern wir Gott an die Opfer von Elbenschwand und doch auch an die Täter, die schuldig geworden sind, ohne schuld zu sein“, gab Pfarrer Christian Rave zu bedenken. Im Anschluss führte Förster Rüdiger Motzke zu den nicht einfach zu findenden Maschinengewehr-Stellungen, die vermutlich zur Verteidigung des kleinen Passes am Wolfsacker oberhalb von Elbenschwand angelegt wurden – ein angesichts der Kriegslage aberwitziges Vorhaben, so Viardot. Damit die Gruben nicht weiter erodieren, sollen einige Bäume in der unmittelbaren Nähe gefällt werden, erläuterte der Förster.


MT / Bericht und Fotos: Michael Werndorff
 

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