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Als die Wehrmacht das Kleine Wiesental verließ
Zeitzeugen erinnern sich an das Kriegsende und Nachkriegsjahre im
Kleinen Wiesental.
Zu Gast war unter anderem der Sohn eines Tegernauer Dorfpolizisten,
der sich noch gut an 1945 erinnern konnte
Das
Kleine Wiesental mit der Initiative KuK bemüht sich um die Aufarbeitung der
NS-Geschichte im Kleinen Wiesental. Zuletzt unterstützte die Initiative den
Lokalhistoriker Hansjörg Noe bei seiner Arbeit "Mitgelaufen – NS-Geschichte der
Ortschaften im Kleinen Wiesental". Zur neuen Reihe "Zeitzeugen im Gespräch"
fanden sich beim Frühschoppen in der "Krone" etwa 40 Besucher ein. Zu Gast war
unter anderem der Sohn eines Tegernauer Dorfpolizisten.
Überraschender Brief:
Nicht alltägliche Post fand Hans Viardot von KuK
vor einiger Zeit in seinem Briefkasten vor. Klaus-Dieter Bühner, ein fast
gleichaltriges Nachbarskind aus längst vergangenen Jahren, übersandte ihm einen
langen Brief, der viele alte gemeinsame Erinnerungen enthielt. Der Nachbarsjunge
wurde im Jahr 1940 geboren. Er erinnerte sich in dem Schreiben an viele
Einzelheiten aus der Kindheit, an die gemeinsamen Spiele und Streiche in
Tegernau, welche sechsjährige Kinder zusammen anstellen. Das Schreiben des
Freundes aus Kindertagen, das die schwierige Übergangszeit zum Inhalt hatte,
inspirierte Hans Viardot mit der Initiative KuK, eine neue Frühschoppenserie
unter dem Thema "Zeitzeugen im Gespräch" zu veranstalten. Eben jener nunmehr in
Frankfurt am Main wohnende Kindheitsfreund eröffnete am Sonntag die neue
Gesprächsreihe in der Krone Tegernau.
Klaus-Dieter Bühners Erinnerungen:
Bühners Großvater Karl Beck war als Gendarm in
Tegernau tätig und wurde von seinem Enkel als freundlicher und hilfsbereiter
Mensch beschrieben. Die Gendarmerie von Tegernau mit den Arrestzellen im
Untergeschoss war damals in dem Gebäude untergebracht, das der kleine
Klaus-Dieter mit seiner Familie ebenfalls bewohnte. Jetzt dient das Gebäude als
Postagentur und Sparkasse. Bis jetzt hat sich seine Erinnerung an das Kriegsende
erhalten.
Ende April 1945 hoben deutsche Soldaten an der
Straße nach Wieslet und bei der Brücke am Ortsausgang Gruben aus, um den
eindringenden Franzosen die Straßenbenutzung unmöglich zu machen. Das Graben war
vergebens: Die Franzosen kamen mit zahlreichen Fahrrädern und einem
Panzerspähwagen aus Richtung Wies. Die hier herannahenden Franzosen wurden von
verbleibenden deutschen Soldaten von der Waldseite her beschossen, jedoch ohne
sich dadurch aufhalten zu lassen. Sein Großvater und dessen zwei Kollegen
mussten deshalb stundenlang mit erhobenen Händen vor dem Haus stehen und wären
womöglich erschossen worden, wenn aus dem Wald weiterhin Schüsse gefallen wären.
Klaus-Dieter Bühner mit seinem phantastischen Gedächtnis blieb nur bis 1946 in
Tegernau wohnen.
Weitere Zeitzeugen melden sich:
An dramatische Situationen zum Kriegsende
konnten sich weitere Zeitzeugen beim Frühschoppen erinnern. So berichtete eine
Bürgerin aus Bürchau, wie ihre damals 16-jährige Freundin von einem
marokkanischen Soldaten unter Vorhalt eines Gewehres vom Kartoffelacker in
Richtung Wald gezwungen wurde. Nur einem aufmerksamen Einwohner, der
eingegriffen hatte, sei es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Ein älterer Tegernauer berichtete vom Fund von
Resten einer Frauenleiche bei Eichholz. Es soll sich um eine 24-jährige Frau aus
Tegernau gehandelt haben, die auf dem Heimweg vom Kirchgang von marokkanischen
Soldaten ermordet worden sein soll. Der Zeuge berichtete, dass die Feuerwehr die
vermisste junge Frau etwa ein Jahr lang suchte, es konnten noch der Schuh,
Kleiderreste und eine Brosche der Ermordeten in einem Waldstück bei Eichholz
aufgefunden werden. Die Funde wurden der französischen Militärpolizei übergeben;
was weiter geschah, konnte der Mann nicht angeben.
Zeitzeugen berichteten ebenfalls von Sprengungen
in Tegernau und Langensee. Couragierte Bewohner verhinderten die Sprengung der
Staumauer des Kraftwerkes an der Köhlgartenwiese durch Angehörige der Wehrmacht.
Info: Weitere
Frühschoppen mit Zeitzeugen, jeweils für die einzelnen Ortschaften des Kleinen
Wiesentals,
sind vorgesehen. Ein weiteres Thema sind die 1940 und nach Kriegsende
aufzunehmenden Flüchtlinge mit Zwangseinquartierungen.
Ein Bild
wird übergeben:
Klaus-Dieter Bühner war bislang im Besitz eines
Gemäldes von Werner Bechtel aus Tegernau, das dieser im Jahr 1947 gemalt hatte.
Das Bild stellt Tegernau dar, im Hintergrund ist der Belchen zu sehen. Die
Feststellungen von Hans Viardot ergaben, dass ein älteres Bild vom gleichen
Motiv existiert, allerdings ohne den Belchen. Dieses stammt vom Vater Werner
Bechtels, Rudi Bechtel. Dieses ursprünglich gemalte Bild wurde in das Buch "Das
Kleine Wiesental und seine Maler" aufgenommen. Bühner schenkte das Bild der
Herkunftsfamilie und übergab es Wolf-Dieter Bechtel, dem Enkel beziehungsweise
Sohn der beiden talentierten Maler.
Klaus-Dieter Bühner (rechts) überreichte Hans Viardot von KuK (links) und
Wolf-Dieter Bechtel – dem Sohn des Malers –
das Gemälde von Werner Bechtel. Foto: Gudrun Gehr
Original-Bericht: BZ / MT / Gudrun Gehr
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