Spende von 5000 Euro von KuK für die Feilenhauerei
Der junge Verein "Brauchtum im Kleinen Wiesental-Raich"
kann das Geld gut gebrauchen / Voraussichtlich fällt 2016 Startschuss.
Ein Scheck für den Bau der Feilenhauerei (von links): Jürg Dörflinger, Harald
Georg, Sonja Eiche, Reinhard Roser, Ingrid Echtle, Wolf-Dieter Hänßler, Jochen
Gräf, Frieder Fricker und Hans Viardot. Foto: Ines Bode
Ein Scheck über 5000 Euro wechselte am Montag bei der Lindenhalle in Raich den
Besitzer: Übergeben wurde er von Mitgliedern des Vereins "Kunst und Kultur
Kleines Wiesental" (KuK) an Vorstandsmitglieder des jungen Vereins "Brauchtum im
Kleinen Wiesental-Raich".
Letztere drückten ihre große Freude über die Spende aus. Laut Sonja Eiche werde
das Geld für den Bau der geplanten Feilenhauerei verwandt. Ihren Standort wird
die Werkstatt beim Nebengelass der Halle finden.
Andocken soll sie bei "Buuchhus un Schnapshüsli", da, wo sich beim
Brauchtumsfest stets Besuchermassen drängeln. In Betrieb gehen wird die
Feilenhauerei anlässlich des Brauchtumsfestes 2016.
Eingefunden zur Scheckübergabe, ausgehändigt von KuK-Rechnerin Ingrid
Echtle, hatten sich weiter die Vertreter der Interessengemeinschaft, die 1991
die historischen Maschinen der Feilenhauerei von Hans Billich in Wieslet erwarb.
Dass der Baubeginn greifbar wird, war für Jochen Gräf, Wolf-Dieter Hänßler und
Hans Viardot ein entsprechend besonderer Anlass, später hinzu kam Frieder
Fricker (es fehlte Harald Klemm).
Seit nunmehr 24 Jahren träume man von der musealen Auferstehung, sagte Hans
Viardot. Zu den Relikten gehören drei Maschinen, in Einzelteile zerlegt und
sorgsam verwahrt. Mehrfach habe es Bemühungen gegeben, der Öffentlichkeit die
Handwerkskunst der alten Schule näher zu bringen.
In seiner Rolle als KuK-Motor wies Hans Viardot darauf hin, dass eine weitere
Spende den Baustart näher
rücken ließ. 5000 Euro flossen auch aus der Privatschatulle eines
Vorstandsmitglieds des Brauchtumsvereines.
Bereits zugesichert wurden Spenden in Form von Arbeits- und Sachleistungen wie
die Bereitstellung von Arbeitsmaschinen.
Hans Viardot betonte, dass die Errichtung der Feilenhauerei ohne öffentliche
Fördergelder über die Bühne gehe.
Zu umständlich seien die Abläufe und Vorgaben.
Original-Bericht: Badische Zeitung / Ines Bode
Dazu ein Rückblick:
Die "Billich'sche Feilenhauerei", ursprünglich schon lange in Tegernau
angesiedelt, wurde von 1890 bis 1975
immer als Feilenschleiferei und -hauerei in Wieslet betrieben.
Im April 1991 kauften Guido Gräf, Wolf-Dieter Hänßler, Harald Klemm und Hans
Viardot die "Billich'sche Feilenhauerei" in Wieslet, bauten sie ab, verpackten
sie in Kisten und erhielten sie so der Nachwelt.
In fast 25 Jahren wurden diverse Standorte aus unterschiedlichen Gründen
verworfen, bis schließlich einer festgelegt wurde.
Im Juni 2013 wurde beim "Tag der offenen Tür" im geplanten Kulturhaus Kleines
Wiesental in Ried an einen Einbau in der Remise gedacht. Am 30. November 2014
machten mehr als 25 Vertreter von Ortschaftsrat, Raicher Vereinen, Feuerwehr, IG
Feilenhauerei und Bürgermeister Gerd Schönbett einen Standort für diese
Feilenhauerei bei der Lindenhalle in Raich aus und legten ihn einstimmig fest.
Am 5. Dezember wurde die in Kisten verpackte Feilenhauerei mit Hilfe von
Gemeindearbeitern des Kleinen Wiesentals von Steinen in diese Halle
transportiert. Am 17. März 2015 übernahm der neu gegründete Brauchtumsverein
Raich e.V. die Leitung der Feilenhauerei und besprach die kostenlos erstellten
Pläne des Architekten Harald Klemm. Die Kultur-Initiative KuK, die seit Jahren
hinter der "Billich'schen Feilenhauerei" steht, beschloss am 19. März eine
namhafte Spende für das Projekt.
Am 21. März schließlich machten sich Adalbert Binoth, Norbert Eiche, Frieder
Fricker, Wolf-Dieter Hänßler, Harald Klemm und Hans Viardot auf den Weg nach
Königsbronn bei Heidenheim an der Brenz.
Ziel war die "Alte Feilenschleiferei Burr an der Brenz" mit Wehr und Wasserrad.
Sie war von 1902 bis 1990 nur Feilenschleiferei und wurde 2010 durch Maschinen
der ehemaligen "Feilenhauerei Bührle" in Freudenstadt eine museale
Feilenschleiferei und -hauerei. Dahinter steht der Kulturverein Königsbronn.
Somit wären Burr und Billich die beiden letzten funktionsfähigen
Feilenschleifereien und -hauereien
in Deutschland und der Schweiz. Damit sind beide sicherlich seltene
Kleinode der Technikgeschichte.
Die Wiesentäler wurden in Königsbronn vom Vorsitzenden Ulrich Knöller und seinen
Mitstreitern vom Kulturverein durch Industriedenkmale wie Hammerschmiede,
Flammofen und Feilenschleiferei geführt. Die Schwäbischen Hüttenwerke in
Königsbronn sind, bedingt durch hohe Wasserkraft, Holzreichtum und Bohnerzfunde,
der älteste Industriestandort in Deutschland. Er feiert im September sein
650-jähriges Bestehen. Bekannt geworden ist Königsbronn auch durch Georg Elser,
der im September 1939 in München ein Attentat auf Hitler verübte.
Auf dem Rückweg besichtigten die Wiesentäler in Tuttlingen die uralte
"Feilenhauerei Theiss", wo der ehemalige Zahntechniker Udo Pechar seit 2006
Feilen und Raspeln für den Geigen- und Gitarrenbau und die Medizintechnik von
Hand herstellt – dies Handwerk beherrscht in Deutschland sonst niemand mehr. An
den Messen in Cremona in Italien, der Geburtsstadt der Stradivari-Geige, wird er
von Fachleuten aus aller Welt wegen seiner handbehauenen Raspeln und Feilen
stets sehnsüchtig erwartet.
Wiesentäler Feilenhauerei soll wieder leben:
Voller Eindrücke kehrten die Feilenhauerfreunde in das Wiesental zurück. Es ist
ihre erklärte Absicht: So wie im "Schneiderhof" mit der Nagelschmiede aus Wies
heute "Nägel mit Köpfen" gemacht werden, sollen in Raich mit der "Billich'schen
Feilenhauerei" einmal Raspeln und Feilen gefertigt werden.
Original-Bericht: Badische Zeitung / April 2015
|