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Einblicke in die düstere Vergangenheit
Exkursion zum NS-Opfer-Mahnmal
im Elbenschwander Wald / Zeitzeuge 1945.
Zeitzeuge Ernst Brenneisen Foto: Gudrun Gehr
Rechts Hans Viardot, zweiter v. rechts Oliver Uthe Foto: Gudrun Gehr
Nein, es ging nicht um
eine politische Wanderung angesichts der Diskussion um den Windpark am Zeller
Blauen. Es ging um die Vermittlung der unberührten Schönheit vieler Gegenden des
Kleinen Wiesentals und der Aufarbeitung der tragischen Geschehnisse in einer
nicht so fernen Vergangenheit. KuK – Krone und Kultur – mit Hans Viardot hatte
erneut zur Exkursion zum Hirschkopf und zum Tannenkopf, den Orten der
schrecklichen Taten in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, und zum Besuch
des Mahnmals eingeladen.
Das Mahnmal, so befürchten
einige, könnte beim Bau des Windparks versetzt werden müssen. Bereits spannend
und in der historischen Dimension beeindruckend ist der abgelegene Zugang zum
Ort des Gedenkens. Der Waldweg führt über die historische Wegscheide zwischen
dem katholischen Habsburgerreich und der evangelischen Markgrafschaft und ist
flankiert von moosbewachsenen uralten Marksteinen mit Jahreszahlen aus dem 18.
Jahrhundert und Wappen.
Einige Interessierte fanden sich am Samstag bei schönem Wetter zur Begehung der
mit 1100 Meter höchsten Stelle des Hirschkopfes, ein, um Worte für das auch noch
heute Unfassbare zu finden und um die Toten zu würdigen. Hans Viardot konnte
auch den Zeitzeugen Ernst Brenneisen, Revierförster Rüdiger Motzke und den
Kreisarchivar Oliver Uthe begrüßen.
In unmittelbarer Nähe des vom KuK (Verein Kunst und Kultur Kleines Wiesental)
gesetzten Gedenksteines, einem "groben Klotz für eine grobe Tat", und der
beschrifteten Bronzeplatte, wurde in den letzten Kriegstagen, am 26. April 1945,
vom fanatischen SS-Offizier Kurt Rahäuser der Befehl zur Ermordung von fünf
jungen Zwangsarbeitern aus Litauen, Polen und Russland erteilt. Nach den
Feststellungen des Historikers Hansjörg Noe waren Adressaten des Befehles ebenso
jugendliche "Werwölfe", die mit den Zwangsarbeitern am Hirschkopf und am
Tannenkopf zwei Maschinengewehr-Unterstände ausheben mussten und sich hierbei
auch mit ihren Kollegen angefreundet hatten. Zwei der jungen Osteuropäer hatten
zuvor einen Hinweis erhalten, dass sie ermordet werden sollten und waren
geflohen. Die fünf verbliebenen jungen Zwangsarbeiter wurden in zwei Gruppen
geteilt, mussten vor den Hitlerjungen her gehen und wurden rücklings erschossen.
Drei Jungen wurden an der Gemarkungsgrenze zu Zell (Käsern/Pfaffenberg)
hingerichtet, zwei in der Nähe des Mahnmals. Nach der Ermordung liefen die
"Werwölfe" in Panik davon. Leichenfunde von drei Jungen wurden im Herbst 1945
bei Käsern von Pilzsuchern gemacht, bereits vom Wild angefressen, diese wurden
auf dem Friedhof von Atzenbach beerdigt. Auf dem Friedhof existiert noch eine
Grabplatte. Die restlichen zwei Leichen wurden nicht gefunden.
Zeitzeuge Ernst Brenneisen vom Weiler Heuberg bei Schlächtenhaus, Jahrgang 1932,
erinnerte sich an einen Pilzsucher, der nach dem Krieg in etwa 1000 Metern
Entfernung von seinem Elternhaus aus einem Reisighaufen eine Kinderhand
hervorragen sah und dies seinem Vater mitteilte. Gefunden wurde von ihm die
Leiche eines der Jungen, der von den "Werwölfen" erschlagen wurde. Auch noch
nach langen Jahren berichtete der Zeitzeuge mit Tränen in den Augen, dass ein
Gemeindearbeiter die Leiche mit dem Pferdegespann abholte und sie zuerst am
Brunnen beim Friedhof reinigen musste. Brenneisen sagte: "Über so was wurde
nicht gesprochen."
Oliver Uthe, Kreisarchivar des Landratsamtes, wies auf die Möglichkeit einer
Recherche bei einer Forschungsstelle in Polen hin, wo möglicherweise Angehörige
der Verstorbenen ermittelt werden können. Derzeit arbeitet Hansjörg Noe "Die
Geschichte des Kleinen Wiesentals im Dritten Reich" auf. Diese wird in einem
Sonderband des Markgräfler Geschichtsvereins erscheinen. Mit Förster Rüdiger
Motzke wurde die Maschinengewehr-Stellung, ohne nähere Ortskenntnis kaum
auffindbar, am Tannenkopf besichtigt. Die Stellung am Hirschkopf mit den fünf
noch erkennbaren Proviantgruben konnten infolge Sturmschäden von "Burglind"
nicht besucht werden.
Original-Bericht: BZ / Gudrun Gehr
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