Eine heimatlose und
verlorene Maler-Generation
Friedrich-Ludwig-Museum in Wieslet wartet mit neuen Bildern des Künstlers
auf!
In Ehen ist es gefürchtet: das verflixte siebte Jahr. Aber gilt das auch
für Museen? Vor genau sieben Jahren wurde das Friedrich-Ludwig-Museum in
Wieslet eröffnet, und auch hier überlegt man sich, wie man die
Besucherzahlen halten kann. Da kommen so attraktive Angebote wie die
dritte Museumsnacht gerade recht. Bis "Mitternacht bot sich den
Kunstfreunden ausgiebig Gelegenheit, bei musikalischer Unterhaltung neu
gehängte Bilder von Friedrich Ludwig anzusehen.
Quo vadis Friedrich Ludwig? Wie reagiert der Kunstmarkt auf diesen Maler
der vergessenen und verlorenen Generation? Diesen Fragen ging der Sammler
Sigurd Marien nach, aus dessen riesigem Fundus an Ludwig-Bildern sich der
Museumsbestand speist. Jüngst haben zwei Ludwig-Bilder im renommierten
Auktionshaus Ketterer erstaunlich gute Preise erzielt -es kommt also
Bewegung in die Ludwig-Rezeption. Wertvorstellungen von Kunst, so Marien
in seinem Vortrag, werden vom Kunstmarkt, von Galerien, Sammlerbörsen und
Auktionen bestimmt. Denn Kunst ist auch ein Investitionsfaktor: „Familien
schwanken, Aktien schwanken, aber die Aktie Kunst ist geblieben".
Bisher haben sich Kunstkritiker, Galeristen, Sammler und eben der
Kunstmarkt mit der Einordnung von Friedrich Ludwig schwer getan. Denn der
Maler hat es immer vermieden, sich „kaufen" zu lassen und ist lieber den
beschwerlichen Weg des Einzelgängers gegangen. Und in einer Zeit, da
Museen alle zu kämpfen haben, ist für Marien das ehrenamtliche Engagement
des Vereins „Kunst und Kultur Kleines Wiesental" für das Ludwig-Museum gar
nicht hoch genug zu schätzen: „Schön, dass wir hier im Museum noch einen
Ludwig betrachten können, ohne auf den Kommerz zu achten, wertfrei im
wahrsten Sinn des Wortes".
Um das Interesse an Ludwig wach zu halten und spannende Einsichten in sein
Oeuvre zu geben, werden durch die Neuhängung andere Facetten seines Werks
vorgestellt. Ein Sonderraum beherbergt zudem eine Verkaufsausstellung mit
47 Pastellen, Zeichnungen aus den Skizzen-büchern, Gouachen und Ölbildern;
alles Arbeiten, „die den Museumsbestand nicht angreifen", wie der Sammler
versichert. Wer die gewaltigen Berglandschaften sieht, die Motive mit
springenden Rehen, die wundervollen Frauenbildnisse, etwa das bezaubernde
Mädchenporträt in Aquarell von 1930, die Aktstudien, die souveränen
Zeichnungen oder die virtuos gelungene Landschaft „Rote Dächer", überhaupt
die enorme farbliche Ausdruckskraft vieler Arbeiten, der sieht die „Aktie
Ludwig" steigen. Man muss dem Ludwig-Entdecker Marien hier Recht geben,
dass ein Ludwig auf der Höhe seiner Qualität den Vergleich mit
expressionistischen Kunstgrößen wie Kirchner oder Schmidt-Rottluff nicht
scheuen muss.
Bei der Museumsnacht
konnte auch erstmals der neu eingerichtete Ernst-Schleith-Raum
des Museums besichtigt werden. Schleith (1871-1940), der „Chunstmoler vo
Wieslet", hatte ein ähnlich schweres Künstlerschicksal wie Ludwig. Der
Maler, der an der Kunstakademie in Karlsruhe studiert hatte und Schüler
von Hans Thoma war, galt als sensibel und schwermütig. Seit 1919 lebte er
in einem Atelier unterm Dach des Schulhauses in Wieslet. Er sah sich
selbst als „Heimatlosen", und auf seinen meisterlichen „Bleistiftgemälden"
findet sich oft die Figur eines einsamen Wanderers mit Stock, Rucksack und
Hut. Zwölf Zeichnungen von Schleith sind in dem neuen Raum versammelt, die
damit die 20 Arbeiten im Schleith-Atelier ergänzen. Zwei Kohlezeichnungen
wie die „Totenmaske" aus der Akademiezeit zeigen, wie unglaublich
plastisch dieser Künstler mit dem Zeichenstift Gesichter und Porträts
modellierte. In seinen heimischen Landschaften hat Schleith eine ganz
eigene Technik zur Vervollkommnung gebracht: eine Art zeichnerischen
Pointillismus mit ineinander fließenden Punkten, was wie eine grobkörnige
Fotografie wirkt. Durch diese malerisch wirkende Bleistifttechnik
erreichen die Porträts und Landschaften eine unvergleichliche Licht- und
Schattenwirkung.
Also ein weiterer bemerkenswerter Künstler aus Wieslet, dessen Andenken
die rührige KUK wach hält und ihm die gebührende Anerkennung verschafft.
So konnten die vielen Besucher der Museumsnacht zwischen dem stimmungsvoll
beleuchteten Museum und dem Schleith- Atelier pendeln, den Führungen von
Hans Viardot folgen, den alemannischen Liedbeiträgen von Berthold
Hünenberger und Andreas Schaffrina sowie dem „Duo Wunderfitz" lauschen -
und eine lange anregende Kunstnacht auf dem Dorf verbringen.
Badische Zeitung vom 24. 4. 2006 / Autorin: Roswitha Frey
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