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Presse - Aktuell                          

BZ - Bericht vom 30. November 2009


Erstaunlich stimmige Kompositionen


Retrospektive für den Lörracher Maler Karl Gerstner

Nicht nur Picasso hatte eine blaue Periode. Auch der Lörracher Maler Karl Gerstner fand in den 80er Jahren zu einer Malphase, in der er auffallende intensive Blau-Türkis-Töne bevorzugte. Diese Bilder in allen Nuancen von Blautönen wurden zu einem Markenzeichen im Spätstil des Künstlers.
Einige dieser Arbeiten sind nun in der Retrospektive zu sehen, die das Friedrich Ludwig-Museum in Wieslet Karl Gerstner widmet.

Das Museum erinnert mit dieser Sonderausstellung an einen Maler, der seinen Weg abseits der schnell wechselnden Moden im Kunstbetrieb ging. Wie viele Künstler seiner Generation arbeitete Karl Gerstner (1915-1992) als Textilzeichner in der Lörracher KBC. Seine Fertigkeiten schulte der Autodidakt in Kursen an der Basler Kunstgewerbeschule und vor allem eröffneten ihm Besuche im Basler Kunstmuseum die Schatzkammern der klassischen Malerei. Die französischen Impressionisten inspirierten den gebürtigen Lörracher, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu den bedeutenden Künstlern der ersten Stunde im Markgräflerland gehörte. So war er Mitbegründer der Vereinigung Markgräfler Maler, dem späteren Lörracher Künstlerkreis, und hatte zahlreiche Ausstellungen, zuletzt eine große Werkschau zu seinem 75. Geburtstag.


Intensive Blautöne prägen dieses Bild von Karl Gerstner.

Den rührigen Ausstellungsmachern der Initiative Kunst und Kultur Kleines Wiesental (KUK) und Gerstners Sohn Wolfgang Gerstner, der selbst Kunstschaffender in Gersbach ist, ist nun diese posthume Würdigung zu danken. Sie sichteten Gerstners Bilder aus "einem Haus voller Kunst" – so Hans Viardot von KUK – und wählten knapp 40 Werke aus, meist regionale Landschaftsmotive, aber auch Stillleben und Porträts in Öl und Aquarell. "Den wichtigsten Nährboden für seine Kunst fand er im heimatlichen Markgräflerland", schreibt der ehemalige Kulturreferent Berthold Hänel in dem Band "Die Maler des Markgräflerlandes".

Überraschend zu sehen ist, wie neu, kraftvoll und dynamisch die klassischen Motive gerade in den späten "blauen Bildern" von Gerstner erscheinen. Die vielen Abstufungen der Farbe Blau und der bewegte gestische Pinselduktus geben diesen Landschaftsansichten eine starke Ausdruckskraft. Der Steinbruch bei Kleinkems, der Blick auf Gersbach, die Wege und Felder bei Efringen-Kirchen, die Rebberge bei Fischingen, der Blick auf den Blauen, Häuser in Bernau oder die Isteiner Schwellen sind Sujets, die Gerstner in seinem emotional empfundenen malerischen Stil und seiner individuellen Farbenpalette darstellte. So kombinierte er die leuchtenden Blaunuancen oftmals mit warmen Brauntönen und Erdfarben zu erstaunlich stimmigen und harmonischen Kompositionen. Die typischen Gerstner-Farben, das irisierende Gerstner-Blau taucht auch in den Stillleben mit Flieder und Pflanzen aus den 80er Jahren auf, die malerisch herausragend sind in ihren kühn geschwungenen teils fast schon etwas kubistisch anmutenden Formen. Aus diesen Bildern spricht enorme malerische Vitalität und Gestaltungskraft.

Interessant sind auch einige frühere Werke aus den späten 60er Jahren, die stilistisch noch anders und farblich dunkler wirken als die aus der blauen Phase. Der stark abstrahierte Trommler mit Maske oder das imponierende Stillleben mit Kanne verraten, dass sich Karl Gerstner nicht mit dem Abbildhaften zufrieden gab, sondern nach freien malerischen Lösungen suchte, in heftigem Pinselstrich, in dynamisch-expressiv gestalteten Flächen und Formen. Sehenswert sind auch die figürlichen Arbeiten, etwa die "Badenden", ein Motiv nach dem Vorbild der Impressionisten; der fließende, gelöste weibliche Akt, die Figur der Tänzerin in einem schnellen Wirbel der farbigen Linien oder das farblich aparte Porträt einer Schauspielerin. Daneben fallen das kräftige Bildnis einer Frau mit Früchtekorb und ein Motiv mit Hafenarbeitern in klaren Farben und Formen auf.

Bis 24. Januar, Sonntag 14-17 Uhr.


Bericht und Foto: Roswitha Frey

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