Erstaunlich stimmige Kompositionen
Retrospektive für den Lörracher Maler Karl Gerstner
Nicht nur
Picasso hatte eine blaue Periode. Auch der Lörracher Maler Karl Gerstner
fand in den 80er Jahren zu einer Malphase, in der er auffallende intensive
Blau-Türkis-Töne bevorzugte. Diese Bilder in allen Nuancen von Blautönen
wurden zu einem Markenzeichen im Spätstil des Künstlers.
Einige dieser Arbeiten sind nun in der Retrospektive zu sehen, die das
Friedrich Ludwig-Museum in Wieslet Karl Gerstner widmet.
Das Museum erinnert mit dieser Sonderausstellung an einen Maler, der
seinen Weg abseits der schnell wechselnden Moden im Kunstbetrieb ging. Wie
viele Künstler seiner Generation arbeitete Karl Gerstner (1915-1992) als
Textilzeichner in der Lörracher KBC. Seine Fertigkeiten schulte der
Autodidakt in Kursen an der Basler Kunstgewerbeschule und vor allem
eröffneten ihm Besuche im Basler Kunstmuseum die Schatzkammern der
klassischen Malerei. Die französischen Impressionisten inspirierten den
gebürtigen Lörracher, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu den bedeutenden
Künstlern der ersten Stunde im Markgräflerland gehörte. So war er
Mitbegründer der Vereinigung Markgräfler Maler, dem späteren Lörracher
Künstlerkreis, und hatte zahlreiche Ausstellungen, zuletzt eine große
Werkschau zu seinem 75. Geburtstag.
Intensive Blautöne prägen dieses Bild von Karl Gerstner.
Den
rührigen Ausstellungsmachern der Initiative Kunst und Kultur Kleines
Wiesental (KUK) und Gerstners Sohn Wolfgang Gerstner, der selbst
Kunstschaffender in Gersbach ist, ist nun diese posthume Würdigung zu
danken. Sie sichteten Gerstners Bilder aus "einem Haus voller Kunst" – so
Hans Viardot von KUK – und wählten knapp 40 Werke aus, meist regionale
Landschaftsmotive, aber auch Stillleben und Porträts in Öl und Aquarell.
"Den wichtigsten Nährboden für seine Kunst fand er im heimatlichen
Markgräflerland", schreibt der ehemalige Kulturreferent Berthold Hänel in
dem Band "Die Maler des Markgräflerlandes".
Überraschend zu sehen ist, wie neu, kraftvoll und dynamisch die
klassischen Motive gerade in den späten "blauen Bildern" von Gerstner
erscheinen. Die vielen Abstufungen der Farbe Blau und der bewegte
gestische Pinselduktus geben diesen Landschaftsansichten eine starke
Ausdruckskraft. Der Steinbruch bei Kleinkems, der Blick auf Gersbach, die
Wege und Felder bei Efringen-Kirchen, die Rebberge bei Fischingen, der
Blick auf den Blauen, Häuser in Bernau oder die Isteiner Schwellen sind
Sujets, die Gerstner in seinem emotional empfundenen malerischen Stil und
seiner individuellen Farbenpalette darstellte. So kombinierte er die
leuchtenden Blaunuancen oftmals mit warmen Brauntönen und Erdfarben zu
erstaunlich stimmigen und harmonischen Kompositionen. Die typischen
Gerstner-Farben, das irisierende Gerstner-Blau taucht auch in den
Stillleben mit Flieder und Pflanzen aus den 80er Jahren auf, die malerisch
herausragend sind in ihren kühn geschwungenen teils fast schon etwas
kubistisch anmutenden Formen. Aus diesen Bildern spricht enorme malerische
Vitalität und Gestaltungskraft.
Interessant sind auch einige frühere Werke aus den späten 60er Jahren, die
stilistisch noch anders und farblich dunkler wirken als die aus der blauen
Phase. Der stark abstrahierte Trommler mit Maske oder das imponierende
Stillleben mit Kanne verraten, dass sich Karl Gerstner nicht mit dem
Abbildhaften zufrieden gab, sondern nach freien malerischen Lösungen
suchte, in heftigem Pinselstrich, in dynamisch-expressiv gestalteten
Flächen und Formen. Sehenswert sind auch die figürlichen Arbeiten, etwa
die "Badenden", ein Motiv nach dem Vorbild der Impressionisten; der
fließende, gelöste weibliche Akt, die Figur der Tänzerin in einem
schnellen Wirbel der farbigen Linien oder das farblich aparte Porträt
einer Schauspielerin. Daneben fallen das kräftige Bildnis einer Frau mit
Früchtekorb und ein Motiv mit Hafenarbeitern in klaren Farben und Formen
auf.
Bis 24. Januar, Sonntag 14-17 Uhr.
Bericht und Foto: Roswitha Frey |