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Christel Jacobi

 

 

Das Goldkorn  

 



Das Goldkorn ist
eines der 23 Märchen
 aus dem zweiten
 Märchenbuch
DAS GOLDKORN
von Christel Jacobi,
 der zweiten Frau
des Wiesleter Malers
 Friedrich Ludwig
und einer bekannten
 Märchenerzählerin.

 Es nimmt Bezug auf
 Friedrich Ludwig.



©
Professor
Sigurd Marien







 

 

Am Rande des Waldes lebte einmal ein Maler mit seiner Frau. Das Haus hing voller Bilder, aber im Schrank wollte das Brot nicht reichen. Als beide wieder einmal hungrig vom Tisch aufstanden, sagte der Maler „Ich will in die Stadt ziehen, um meine Bilder zu verkaufen, warte bis ich wieder komme, dann soll es uns wohl ergehen".
 
Als die Frau das hörte, wurde ihr bange um das Herz, aber sie wußte es nicht zu sagen und ließ den Mann ziehen. In der Stadt angekommen, schrieb der Maler an ein Haus, in dessen Dachkammer er einzog: „Schöne Bilder zu verkaufen!" Doch niemand nahm sich Zeit, die vielen Treppen zu ihm hinauf zu steigen. Da stellte er sich mit seinen Bildern auf die Straße und rief den Vorübergehenden ein um das andere Mal zu: „Schöne Bilder zu verkaufen!" „Schöne Bilder, schaut!" Aber niemand blieb stehen. Und als der Maler am Abend seine Bilder wieder hinauf in die Dachkammer schleppen musste, verwünschte er sie und schrie „Der Teufel soll sie holen, wenn er mir Gold dafür gibt!"
 
Das hörte der Teufel, der seine Ohren überall hat. Um Mitternacht schickte er seine Muhme, die Klapperhexe, zum schlafenden Maler. Sie klapperte so laut mit ihren Knochen, daß er davon erwachte, gerade, als sie mit seinen Bildern verschwand. Aber unter der Dachluke stand durchsichtig im Mondenglanze ein Sack voller Goldmünzen. Das sah der Maler, bevor er wieder in Schlaf zurückfiel. Als er beim Morgengrauen erwachte, meinte er alles geträumt zu haben. Aber seine Bilder waren verschwunden, und unter der Dachluke stand der volle Sack, zwar nicht mehr durchsichtig, aber beim Mondenschein hatte er ja darin die Goldmünzen gesehen. „Alle Not ist zu Ende!" frohlockte der Maler, lud sich den Sack auf die Schulter und trat den Heimweg an.
 
Da merkte er, wie mit jedem Schritt seine Last schwerer wurde und ihm den Atem abdrückte. Zuletzt lief er ganz gebückt und trat keuchend vor sein Haus, erreichte die Türklinke nicht und rief nach seiner Frau. Sie öffnete die Tür und erschrak vor dem Buckligen, der an seinem Höcker zerrte und sie anschrie, ob das eine Art sei, so da zu stehen, statt ihm zu helfen, den schweren Sack von der Schulter zu heben. Die Frau, die ihren Mann jetzt erst an der Stimme erkannt, ließ ihn in den Spiegel schauen. Da sah er, daß er statt des Sackes voll Goldmünzen einen Höcker bekommen hatte. „Das ist des Teufels Werk!" schrie er und jammerte nach seinen verlorenen Bildern. Als die Frau nach und nach herausbekam, was sich zugetragen hatte, riet sie ihm, gegen den Zauber neue Bilder zu malen. Aber als er es versuchte, wurde alles, was er malte, so höckrig wie er selbst. Groß war die Not, und die Frau hörte nicht auf zu sinnen, wie sie da herauskommen könnten.
J. Capek

Das Goldkorn, 2000


Jindra Capek
hat das Bild für die
 Sonderausstellung
 JINDRA CAPEK -
"Das Goldkorn und andere Märchen" gemalt.
   

 
Das Goldkorn ist
eines der 23 Märchen
 aus dem zweiten
 Märchenbuch
DAS GOLDKORN
von Christel Jacobi,
 der zweiten Frau
des Wiesleter Malers
 Friedrich Ludwig
und einer bekannten
 Märchenerzählerin.

 Es nimmt Bezug auf
 Friedrich Ludwig.



©
Professor
Sigurd Marien
  In einer Nacht fiel das Licht so mächtig in ihren Schlaf, daß sie davon erwachte und ihm nach ins Freie lief. Da sah sie wie sich der Himmel aufgetan hatte. Sonne und Mond saßen auf goldenem und silbernem Thron nebeneinander, um sich herum im Sternengürtel der gestufte Engelchor. Er sang ihr zu: „Sonne und Mond dir gnädig sind, tu dich auf, o Menschenkind!" Da öffnete die Frau ihr Herz, wie Blumen ihren Kelch öffnen. Sonne und Mond lasen darin und schenkten ihr ein Goldkorn. Die Engel sangen: „Goldenes Korn ist Himmelsbrot, wendest damit alle Not. Darfst verschenken von dem Licht, doch das Goldkorn selber nicht". Darauf schloß sich der Himmel wieder zu, und die Frau stand allein im finsteren Wald. Aber das Goldkorn, das ihr Sonne und Mond geschenkt hatten, fing an zu leuchten, so daß sie furchtlos hindurch ging.
 
Sie mußte auch über ein Moor, auf dem bläuliche Flammen um sie herum tanzten und klagten: „O wie wir frieren, wir hungern nach Licht! O wie wir brennen, und wärmen doch nicht!" Dabei züngelten sie an der Frau empor und leckten nach dem Goldkorn, das sie fest in der Hand behielt.
 
Da lag das Moor hinter ihr, und sie kam an ein Haus, das war aus Totenbein und klapperte, wenn der Wind darüber strich. Auf dem Dach saß ein großer Vogel, der schlug mit seinen Flügeln, daß die Federn wie schwarzer Schnee herunterflockten. Dazu schrie er: „Klapperhexe, hab' acht, hab' acht! Ein Rosenrotes hat die Macht!" Da fuhr die Hexe aus ihrem Haus, klapperte und schrie: „Was ist es, das sich in mein Reich wagt?" „Ich" rief die Frau mit heller Stimme und stellte sich furchtlos vor die Hexe.
 
Da erriet diese, dass sie das Goldkorn von Sonne und Mond hatte und dadurch ihren Hexenkünsten überlegen war. Deshalb versuchte sie es mit List und sagte:' „Ich weiß wohl, daß du den verschwundenen Bildern nachgehst und daß du weiter nichts hast, als ein winziges Korn, dessen Dienst jedes Streichholz tun könnte. Trotzdem will ich dir dafür alle Bilder zurückgeben, damit dein Mann seine aufrechte Gestalt wieder bekommt".
 
Die Frau schwankte, ob sie es tun solle oder nicht. Da klang in ihr das Singen der Engel auf, und sie sagte: „Das goldene Korn gebe ich nicht her, aber von seinem Licht will ich dir gerne schenken". „Komm nur herein, mein Täubchen, sollst dafür die Bilder sehen", heuchelte die Klapperhexe und machte dem Vogel auf dem Dach ein Zeichen. Kaum war die Frau darunter getreten, schoß er auf sie nieder, um ihr das Goldkorn wegzupicken. Im selben Augenblick sprang ein Blitz daraus hervor. Der Vogel brannte lichterloh und wie er noch mit den Flügeln schlug, setzte er das beinerne Haus mitsamt der Hexe
in Flammen.
 
Endlich fand die Frau aus dem Wald heraus und war wieder zu Hause. Ihr Mann aber hatte seine aufrechte Gestalt wieder zurückgewonnen. Von nun an malte er neue Bilder, vor denen die Menschen stehen blieben und glücklich waren, wenn sie eins davon mitnehmen durften.
 
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