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MT - Bericht vom 27. Mai 2018 |
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„In Hägelberg wurde geschwiegen“
Mit
einer Exkursion zum Mahnmal im Elbenschwander Wald erinnerten Hans Viardot von
KuK, Förster Rüdiger Motzke
Beeindruckend ist zunächst der abgelegene Zugang zum Ort des Gedenkens. Der Waldweg führt über die historische Wegscheide zwischen dem katholischen Habsburgerreich und der evangelischen Markgrafschaft und ist flankiert von moosbewachsenen uralten Marksteinen mit Jahreszahlen aus dem 18. Jahrhundert und Wappen. Sturm „Burglind“ hatte deutlich seine Spuren hinterlassen. Den Waldweg hatte Hans Viardot einige Wochen zuvor mit der Motorsäge einigermaßen begehbar gemacht. Einige Interessierte fanden sich am Samstag bei schönem Wetter zur Begehung der mit 1100 Meter höchsten Stelle des Hirschkopfes ein, um Worte für das auch noch heute Unfassbare zu finden und um die Toten zu würdigen. Hans Viardot konnte dazu auch den Zeitzeugen Ernst Brenneisen, Revierförster Rüdiger Motzke und den Kreisarchivar Oliver Uthe begrüßen. Vorgeschichte In unmittelbarer Nähe des von KuK (Kunst und Kultur Kleines Wiesental) gesetzten Gedenksteines, einem „groben Klotz für eine grobe Tat“, und der beschrifteten Bronzeplatte, wurde in den letzten Kriegstagen, am 26. April 1945, von einem fanatischen SS-Offizier der Befehl zur Ermordung von fünf jungen Zwangsarbeitern aus Litauen, Polen und Russland erteilt. Nach den Feststellungen des Historikers Hansjörg Noe waren Adressaten des Befehles ebenso jugendliche „Werwölfe“, die mit den Zwangsarbeitern am Hirschkopf und am Tannenkopf zwei Maschinengewehr-Unterstände ausheben mussten und sich hierbei auch mit ihren Kollegen angefreundet hatten. Zwei der jungen Osteuropäer hatten zuvor einen Hinweis erhalten, dass sie ermordet werden sollten und waren geflohen. Die fünf verbliebenen jungen Zwangsarbeiter wurden in zwei Gruppen geteilt, mussten vor den Hitlerjungen her gehen und wurden hinterrücks erschossen. Drei Jungen wurden an der Gemarkungsgrenze zu Käsern/Pfaffenberg hingerichtet, zwei in der Nähe des Mahnmals. Nach der Ermordung liefen die „Werwölfe“ in Panik davon. Die Leichen von drei Jungen wurden im Herbst 1945 bei Käsern von Pilzsuchern gefunden. Beigesetzt wurden die Jungen auf dem Friedhof von Atzenbach. Auf dem Friedhof existiert noch eine Grabplatte mit dem Text; „Hier ruhen drei Unbekannte.“ Die Leichen der beiden anderen jungen Männer wurden bis heute nicht gefunden. Innerhalb des gleichen Zusammenhangs hatten Hitlerjungen und drei junge Zwangsarbeiter im Wald bei Hägelberg Schanzarbeiten zu verrichten. In der Angst, dass diese ihre Arbeiten an den Unterständen nach dem Einmarsch der Franzosen verraten würden, wurden die Zwangsarbeiter ebenfalls ermordet. Ein SS-Offizier hatte die Hitlerjungen mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, die drei Jungen umzubringen. Die Leichen wurden später von Pilzsuchern mit zertrümmerten Schädeln aufgefunden. Bereits 1997 wurde in Hägelberg gegen viele Widerstände ein Gedenkstein aufgestellt. KuK gegen Vergessen
Zeitzeuge Ernst Brenneisen
aus Schlächtenhaus, Jahrgang 1932, erinnerte sich an einen Pilzsucher, der nach
dem Krieg in etwa 1000 Metern Entfernung von seinem Elternhaus aus einem
Reisighaufen eine Kinderhand hervorragen sah und dies seinem Vater mitteilte.
Gefunden wurde von ihm die Leiche eines der Jungen, der von den „Werwölfen“
erschlagen wurde. Auch noch nach langen Jahren berichtete der Zeitzeuge mit
Tränen in den Augen, dass ein Gemeindearbeiter die Leiche mit dem Pferdegespann
abholte und sie zuerst am Brunnen beim Friedhof reinigen musste. Zwangsarbeit
Bereits 2006 hatte sich
die Initiative KuK des Themas Zwangsarbeit angenommen und eine berührende
Zeichnung von „Luc“ im KuK-Kunstkalender veröffentlicht. Luc war französischer
Kriegsgefangener und im „Rieder Gefängnis“ stationiert. Über sein weiteres
Schicksal ist nichts bekannt. Forschungsstelle Oliver Uthe, Kreisarchivar des Landratsamtes, berichtete von der Gedenkstelle „Polenbuche“ in Grenzach-Wyhlen, initiiert vom Heimatverein Grenzach-Wyhlen. Er wies auf die Möglichkeit einer Recherche bei einer Forschungsstelle in Polen hin, wo möglicherweise Angehörige der Verstorbenen ermittelt werden können. Weiterhin wird derzeit „Die Geschichte des Kleinen Wiesentals im Dritten Reich“ von Hansjörg Noe aufgearbeitet. Diese wird in einem Sonderband des Markgräfler Geschichtsvereins erscheinen. Mit Förster Rüdiger Motzke wurde die neuzeitliche archäologische Maschinengewehr-Stellung, ohne nähere Ortskenntnis kaum auffindbar, am „Tannenkopf“ besichtigt. Die Stellung am „Hirschkopf“ mit den fünf noch erkennbaren Proviantgruben konnten infolge der Schäden von Sturm „Burglind“ nicht besucht werden.
Original-Bericht und Fotos: MT / Gudrun Gehr
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