Die Würdigung eines "Unzeitgemäßen"
"Hyperrealismus aus der Einsamkeit" – Das Ibenthaler-Haus in Lörrach
zeigt Arbeiten des Wiesleter Malers Ernst Schleith.

Eines der wenigen
Selbstporträts von Ernst Schleith. Foto: Roswitha Frey
Ein einsamer
Wanderer, der mit Hut, Rucksack und Stock im Kleinen Wiesental unterwegs
ist: So hat sich der Maler Ernst Schleith gesehen. Die Wandererfigur
findet sich oft in seinen Landschaftsbildern, über denen ein Schatten der
Melancholie liegt. Schleith wird als einzelgängerischer, grüblerischer
Mensch beschrieben, der seine Arbeiten aus Einsamkeit geschaffen hat.
Insofern trifft der Titel der Ausstellung im Ibenthaler-Haus in Lörrach
das Wesen von Schleiths Persönlichkeit und Werk sehr gut: "Hyperrealismus
aus der Einsamkeit".
Ernst Schleith (1871-1940) ist ein Beispiel dafür, dass "das Tiefe in der
Kunst meist aus der Einsamkeit kommt", wie es der Vorsitzende der
Ibenthaler-Stiftung, Andreas Obrecht, bei der Ausstellungseröffnung
ausdrückte. Obrecht fühlt sich beim Betrachten der Schleith-Bilder an den
Schriftsteller Robert Walser erinnert, der lange einsame Spaziergänge
unternahm. So wie es Schleith mit der Staffelei in die Landschaft seiner
Heimat Wieslet zog, um vor der Natur seine detailgenau realistischen
Bilder zu zeichnen. Das schon aus der Romantik bekannte Bild vom einsamen
Wanderer begegnet einem auch in Schleiths leiser introvertierter Kunst der
feinen Töne.
Der in Wieslet geborene Maler, der an der Kunstakademie Karlsruhe studiert
hat und zeitweise Schüler von Hans Thoma war, ist ein "Unzeitgemäßer"
geblieben. Er blieb unberührt von den neuen Kunsttendenzen zu Beginn des
20. Jahrhunderts, hielt konsequent an seinem Weg und seinem Stil des
Gegenständlichen fest. In der Zurückgezogenheit seiner bescheidenen Kammer
im Dachgeschoss des Schulhauses Wieslet, wo ihm die Gemeinde 1919 ein
Atelier einrichtete, und in der äußersten Beschränkung der Mittel gelangen
Schleith Meisterwerke. Er hat seine Technik der "Bleistiftgemälde"
vervollkommnet, war ein begnadeter Maler mit dem Bleistift. Was Schleith
aus der materiellen Not heraus nur mit Bleistift auf Papier an
Licht-Schatten-Effekten, subtilsten Hell-Dunkel-Schattierungen und
geradezu fotografisch anmutendem Realismus zauberte, vermag heutige
Betrachter in Staunen zu versetzen. "Ernst Schleith hat bessere
Licht-Schatten-Wirkungen geschaffen, als es ein Fotograf je fertig bringen
würde", beschreibt es Hans Viardot von der Initiative "Kunst und Kultur
Kleines Wiesental", aus deren Sammlung im Schleith-Museum Wieslet die 50
ausgestellten Arbeiten stammen. Fünf weitere Exponate sind Leihgaben aus
dem Museum am Burghof in Lörrach.
In einer wahren Sisyphosarbeit saß Schleith wochen- und monatelang an
einem Bild. In akribisch ausgefeilter Technik und fast schon
pointillistischer Manier strichelte er mit dem Bleistift Landschaftsbilder
aus dem Wiesental, die eine eigene Magie der Stille, der friedlichen Ruhe,
der Weltabgekehrtheit ausstrahlen. Wer sich die Landschaft im Mondschein
ansieht, die sich dunkel abzeichnenden Bäume unter dem fahlen Schein des
Mondes, entdeckt gar etwas Surreales in dieser Naturbeschwörung von
poetischer Stille und geheimnisvoller Atmosphäre.
Der Maler brauchte das Licht, die Abendsonne, um in seiner einzigartigen
Bleistifttechnik diese Licht-Schatten-Nuancen hervorzuzaubern. So steht
man bewundernd vor diesen Arbeiten, etwa der bis ins kleinste Detail
realitätsgetreuen Ansicht der Häuser von Tegernau oder dem Bild von
Niedertegernau mit den im Schatten liegenden Wäldern am Berghang, den
sanft geschwungenen Landschaftsformen und dem sich durch das Tal windenden
Weg, auf dem ein einsamer Wanderer geht.
Nur wenige frühe Ölgemälde sind in dieser Schau zu sehen: darunter zwei
klassische, dunkeltonige, geradezu altmeisterlich gemalte Porträts aus
Schleiths Studienzeit in Karlsruhe sowie das Bild "Frau am Waldrand
stehend". Die Frauengestalt, silhouettenhaft unter den dunklen Bäumen
stehend und versonnen in die Landschaft blickend, hat etwas symbolistisch
Überhöhtes. Die Frau als unnahbares Wesen erscheint des Öfteren in
Schleiths Bildern. Wie herausragend brillant die Technik dieses Malers und
Zeichners ist, verraten auch die frühen, ebenfalls aus der Akademiezeit
stammenden "Totenmasken" und die zahlreichen Porträts, darunter das der
Tegernauer Ehrenbürgerin Hedwig Salm. Auch eines der wenigen
Selbstporträts bereichert diese Ausstellung, die einen viel zu wenig
bekannten Künstler würdigt.
Bis 18. März, geöffnet Sonntag 15-17 Uhr. Ibenthaler-Haus, Lörrach,
Baumgartnerstraße 16
Nach einem
Bericht der Badischen Zeitung / Autorin: Roswitha Frey
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