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Presse - Aktuell                          

BZ - Bericht vom 21. November 2011


Die Würdigung eines "Unzeitgemäßen"


"Hyperrealismus aus der Einsamkeit" – Das Ibenthaler-Haus in Lörrach
zeigt Arbeiten des Wiesleter Malers Ernst Schleith.
 

 

Eines der wenigen Selbstporträts von Ernst Schleith. Foto: Roswitha Frey

Ein einsamer Wanderer, der mit Hut, Rucksack und Stock im Kleinen Wiesental unterwegs ist: So hat sich der Maler Ernst Schleith gesehen. Die Wandererfigur findet sich oft in seinen Landschaftsbildern, über denen ein Schatten der Melancholie liegt. Schleith wird als einzelgängerischer, grüblerischer Mensch beschrieben, der seine Arbeiten aus Einsamkeit geschaffen hat. Insofern trifft der Titel der Ausstellung im Ibenthaler-Haus in Lörrach das Wesen von Schleiths Persönlichkeit und Werk sehr gut: "Hyperrealismus aus der Einsamkeit".

Ernst Schleith (1871-1940) ist ein Beispiel dafür, dass "das Tiefe in der Kunst meist aus der Einsamkeit kommt", wie es der Vorsitzende der Ibenthaler-Stiftung, Andreas Obrecht, bei der Ausstellungseröffnung ausdrückte. Obrecht fühlt sich beim Betrachten der Schleith-Bilder an den Schriftsteller Robert Walser erinnert, der lange einsame Spaziergänge unternahm. So wie es Schleith mit der Staffelei in die Landschaft seiner Heimat Wieslet zog, um vor der Natur seine detailgenau realistischen Bilder zu zeichnen. Das schon aus der Romantik bekannte Bild vom einsamen Wanderer begegnet einem auch in Schleiths leiser introvertierter Kunst der feinen Töne.

Der in Wieslet geborene Maler, der an der Kunstakademie Karlsruhe studiert hat und zeitweise Schüler von Hans Thoma war, ist ein "Unzeitgemäßer" geblieben. Er blieb unberührt von den neuen Kunsttendenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hielt konsequent an seinem Weg und seinem Stil des Gegenständlichen fest. In der Zurückgezogenheit seiner bescheidenen Kammer im Dachgeschoss des Schulhauses Wieslet, wo ihm die Gemeinde 1919 ein Atelier einrichtete, und in der äußersten Beschränkung der Mittel gelangen Schleith Meisterwerke. Er hat seine Technik der "Bleistiftgemälde" vervollkommnet, war ein begnadeter Maler mit dem Bleistift. Was Schleith aus der materiellen Not heraus nur mit Bleistift auf Papier an Licht-Schatten-Effekten, subtilsten Hell-Dunkel-Schattierungen und geradezu fotografisch anmutendem Realismus zauberte, vermag heutige Betrachter in Staunen zu versetzen. "Ernst Schleith hat bessere Licht-Schatten-Wirkungen geschaffen, als es ein Fotograf je fertig bringen würde", beschreibt es Hans Viardot von der Initiative "Kunst und Kultur Kleines Wiesental", aus deren Sammlung im Schleith-Museum Wieslet die 50 ausgestellten Arbeiten stammen. Fünf weitere Exponate sind Leihgaben aus dem Museum am Burghof in Lörrach.

In einer wahren Sisyphosarbeit saß Schleith wochen- und monatelang an einem Bild. In akribisch ausgefeilter Technik und fast schon pointillistischer Manier strichelte er mit dem Bleistift Landschaftsbilder aus dem Wiesental, die eine eigene Magie der Stille, der friedlichen Ruhe, der Weltabgekehrtheit ausstrahlen. Wer sich die Landschaft im Mondschein ansieht, die sich dunkel abzeichnenden Bäume unter dem fahlen Schein des Mondes, entdeckt gar etwas Surreales in dieser Naturbeschwörung von poetischer Stille und geheimnisvoller Atmosphäre.

Der Maler brauchte das Licht, die Abendsonne, um in seiner einzigartigen Bleistifttechnik diese Licht-Schatten-Nuancen hervorzuzaubern. So steht man bewundernd vor diesen Arbeiten, etwa der bis ins kleinste Detail realitätsgetreuen Ansicht der Häuser von Tegernau oder dem Bild von Niedertegernau mit den im Schatten liegenden Wäldern am Berghang, den sanft geschwungenen Landschaftsformen und dem sich durch das Tal windenden Weg, auf dem ein einsamer Wanderer geht.

Nur wenige frühe Ölgemälde sind in dieser Schau zu sehen: darunter zwei klassische, dunkeltonige, geradezu altmeisterlich gemalte Porträts aus Schleiths Studienzeit in Karlsruhe sowie das Bild "Frau am Waldrand stehend". Die Frauengestalt, silhouettenhaft unter den dunklen Bäumen stehend und versonnen in die Landschaft blickend, hat etwas symbolistisch Überhöhtes. Die Frau als unnahbares Wesen erscheint des Öfteren in Schleiths Bildern. Wie herausragend brillant die Technik dieses Malers und Zeichners ist, verraten auch die frühen, ebenfalls aus der Akademiezeit stammenden "Totenmasken" und die zahlreichen Porträts, darunter das der Tegernauer Ehrenbürgerin Hedwig Salm. Auch eines der wenigen Selbstporträts bereichert diese Ausstellung, die einen viel zu wenig bekannten Künstler würdigt.


Bis 18. März, geöffnet Sonntag 15-17 Uhr. Ibenthaler-Haus, Lörrach, Baumgartnerstraße 16




Nach einem Bericht der Badischen Zeitung / Autorin: Roswitha Frey

 

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