zurück

Presse - Aktuell

 

BZ - Bericht vom  18. Mai 2019

 

 

Aufarbeitung ist keine Bettlektüre

Hansjörg Noe stellte sein Buch zur Nazi-Zeit im Kleinen Wiesental vor /
Geschichtsverein selbstkritisch mit eigner NS-Vergangenheit.

Historiker Hansjörg Noe  stellte sein ...nen Wiesental der �ffentlichkeit vor.   | Foto: Gudrun Gehr
Historiker Hansjörg Noe stellte sein Buch über die NS-Zeit im Kleinen Wiesental der Öffentlichkeit vor.
Foto: Gudrun Gehr

Dass für viele Menschen die Aufarbeitung der NS-Zeit sehr wichtig ist, zeigte der große Besucherstrom an der Buchvorstellung "Mitgelaufen" des ehemaligen Schulamtsdirektors Hansjörg Noe. Die Gäste, die auch aus der weiteren Umgebung angereist waren, füllten den Sitzungsraum des Tegernauer Rathauses bis auf den letzten Platz.

Über zwei Jahre hinweg führten Noe die Forschungen zu den Ortsarchiven, dem Landesarchiv Freiburg, dem General- und Landesarchiv Karlsruhe, zu den Stadtarchiven von Schopfheim und Lörrach, sowie zum Militärarchiv in Potsdam. Hilfreich waren auch die Ausgaben des Markgräfler Tagblattes aus den Jahren von 1923 bis 1944. Noe berichtet: "Hier stand so ziemlich alles drin, was im NS-Staat geschah, inklusive Euthanasiemaßnahmen, Zwangssterilisationen oder der Verfolgung der Juden. Ausgespart wurden lediglich Vergasungen in den Konzentrationslagern." Noe schließt daraus: "Keiner kann sagen, er hat nichts gewusst."

Noe ist überzeugt, dass aufgrund herrschender rechtsradikaler Tendenzen immer wieder an die Zeit der NS-Diktatur erinnert werden muss. Hier führte Noe den geschichtlichen Bogen zu den Wahlergebnissen der NSDAP im Jahr 1933. Während die NSDAP im "Musterdorf" Steinen damals Wahlergebnisse um 54 Prozent erzielte, wählten die Teilorte des Kleinen Wiesentals bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Partei mit fast 90 Prozent Zustimmung. Noe erklärt diese Wahlergebnisse mit der landwirtschaftlichen Prägung, der früheren Dominanz der Bauernpartei, dem Fehlen industrieller Arbeiterschaft und dem strengen Protestantismus. Die Ideologie der "Blut-und Boden-Politik" griff hier schnell um sich und setzte sich bis in den letzten Winkel des Kleinen Wiesentals fort. Die Jugend wurde mit Aktivitäten bei den Pimpfen, der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel begeistert und vereinnahmt. Im Rahmen der "Selbstgleichschaltung" schufen die einzelnen Ortschaften selbständig ihre NS-Ortsgruppenleitungen, ohne dass die Partei hierzu eingreifen musste. Noe berichtete auch über seine Motivation zum Schreiben des Werkes: "Nie wieder rechts." Der Sonderband ist spannend und speziell auf die jeweiligen Dörfer zugeschnitten. Noe meinte: "Es ist aber keine Bettlektüre."

Dass es nicht nur Anhänger des NS-Systems im Kleinen Wiesental gab, bewies der 1935 nach Wies strafversetzte Pfarrer Ludwig Simon, auch "rotes Vikarli" genannt. Wegen seiner kritischen Haltung und seiner Mitgliedschaft bei den Christlichen Sozialisten geriet er ins Blickfeld der Machthaber. Er wurde als Soldat eingezogen, kam in Kriegsgefangenschaft und wurde bis 1947 interniert. Ludwig Simon ist Ehrenbürger von Wies. Noe berichtete: "Pfarrer Simon hat alle Widerstände überlebt – es war auch möglich, in der NS-Zeit anders zu denken."

Hansjörg Noe dankte Hans Viardot vom Verein Krone und Kultur (KuK), Bürgermeister Gerd Schönbett mit der Gemeindeverwaltung und Justina Scherr für ihre Unterstützung, insbesondere auch den 25 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die sich für die Gespräche zur Verfügung stellten. Schönbett begrüßte neben den Besuchern auch Hubert Bernnat, den Vorsitzenden des Geschichtsvereins Markgräflerland. Der Geschichtsverein hatte die Druckkosten für den 170 Seiten umfassenden Sonderband der Reihe "Das Markgräflerland" spontan unterstützt. An der Finanzierung beteiligten sich ferner der Verein KuK, der Landkreis Lörrach und mit einem "Zustupf" das Regierungspräsidium. Die Arbeit von Hansjörg Noe erfolgte ehrenamtlich.

Vorstand Hubert Bernnat blickte selbstkritisch auf die Vergangenheit des Geschichtsvereins. An der Person des aus Elbenschwand-Langensee stammenden ehemaligen Schriftleiters Karl Seith zeigte sich, dass auch der Markgräfler Geschichtsverein in die Ideologie der NS-Zeit involviert war. Seith war überzeugter nationalsozialistischer Propagandist. Bernnat meinte: "Auch unser Geschichtsverein war in die damalige Diktatur verstrickt, wir müssen uns mit unserer eigenen Geschichte beschäftigen."

Hansjörg Noe hatte bereits die Zeit der NS-Diktatur in Lörrach, Steinen und Maulburg erforscht und publiziert. Die entsprechende Aufarbeitung der Geschichte von Hausen ist geplant.

 

 

BZ-Bericht: Gudrun Gehr
 

zurück  

nach oben