Mühsame Erinnerung an Opfer
und Täter
Mit einer Exkursion ist das Gedenken an die Zwangsarbeiter-Morde von 1945 bei
Elbenschwand
vorerst abgeschlossen / Förster rechnet mit weiteren militärischen Funden.
Zu einer Gedenkveranstaltung im Elbenschwander Wald unter
dem Motto "Aufarbeiten und nicht anklagen" hatte die Initiative KuK unter
Leitung von Hans Viardot am Samstag eingeladen. Viele Menschen kamen zu dem neu
aufgestellten Gedenkstein am Tatort der "Werwolf"-Morde. Sie erfuhren neue
Details über die Verbrechen im April 1945.
![](einweihung_gedenkstein_teilnehmer_bz.jpg)
Viele Menschen kamen trotz Kälte und Regen zu der Veranstaltung.
Vorgeschichte: Im November letzten Jahres wurde mit
einer Gedenkveranstaltung in der Laurentiuskirche in Tegernau und einem
Gedenkstein mit Bronzetafeln auf dem Hirschkopf der Ermordung von fünf jungen
Zwangsarbeitern aus Litauen, Polen und Russland durch junge deutsche "Werwölfe"
in den letzten Kriegstagen im Elbenschwander Wald erinnert. Aufgrund der
Jahreszeit konnte damals eine Veranstaltung am Ort des Geschehens aber nicht
durchgeführt werden. Der April machte nun am Samstag seinem Namen allerdings
alle Ehre, es regnete in Strömen, hatte deutlich abgekühlt, und tief hing der
Nebel in den Bergen. Hans Viardot von KuK (Kunst und Kultur im Kleinen Wiesental)
begrüßte die Anwesenden, die trotz des widrigen Wetters den Weg hoch auf rund
1100 Meter Höhe gefunden hatten.
Der drei Tonnen schwere Gedenkstein ist aus Granit. Es ist kein runder Findling,
sondern ein aus dem Tegernauer Steinbruch herausgesprengter "grober Klotz für
eine grobe Tat". Hans Viardot schilderte das Vorgehen beim Aufstellen des
Steines durch schwierigstes Gelände. Behilflich waren beim Transport Boris Gempp
und Bernd Langendorf; Werner Zeh stellte seinen Wald für den Standort zur
Verfügung, Andreas Seiler war für die aufwendigen Steinmetzarbeiten zuständig.
Gespendet wurde der Stein von
Rudolf Erne von der Firma Schwarzwald-Granit. Vom Schwarzwaldverein ist die
Montage von Wegweisern zu der schwierig
aufzufindenden Örtlichkeit vorgesehen.
Stimmen: Bürgermeister Gerd Schönbett freute sich über das Interesse der
Besucher zum zweiten Teil der Veranstaltung.
Er mahnte, dass ein solches Terror-Regime wie bei den Nationalsozialisten nie
mehr entstehen dürfe.
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"Wir wuchsen mit denen zu
einer Gemeinschaft
zusammen, sie waren ja
so jung wie wir."
Einer der Täter vor Gericht
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Pfarrer Christian Rave sagte: "Das Gedenken der Menschen und das Wort Gottes
gehören zusammen." Er gedachte der ermordeten jungen Zwangsarbeiter, auch derer,
die im Wald bei Hägelberg starben und nannte deren Namen: Peter Lukjanow,
Edouard Jucsis, Alfons Ryngucki, Stanislaw Grutus, Cslaw Kinzki, Anton
Tschaplinski, Zdzislaw Jablonowski und Nikolai Sobbanow.
Pfarrer Rave betete mit den Anwesenden das Vaterunser und sprach ein Segenswort.
Nur das Geräusch der Regentropfen unterbrach die vollkommene Stille beim
Gedenken. |
![](einweihung_gedenkstein_zeitzeuge.jpg)
Ernst Brenneisen aus Schlächtenhaus-Heuberg vor dem Gedenkstein.
Zeitzeuge Ernst Brenneisen aus Schlächtenhaus-Heuberg (Jahrgang 1932) berichtete
über das damalige Gerücht, dass es im Röttler Wald Wunderwaffen gebe, die den
Kriegsverlauf positiv beeinflussen würden. Die Kinder und Jugendlichen seien vor
Kriegsende fanatisiert worden. Auch aktuell stehe bei manchen politischen
Parteien Menschenverachtung im Vordergrund. Er schloss mit einem Appell gegen
Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen das Vergessen der schrecklichen
Taten.
Die Taten: Ende April 1945 sind immer mehr französische Truppen von
Westen her einmarschiert. Historiker Hansjörg Noe stellte fest, dass der
SS-Offizier Kurt Rahäuser aus Hamburg und 20 Hitlerjungen von der Organisation
Werwolf zu Erdarbeiten eingesetzt waren. Sie bekamen den Befehl, im Raum Steinen
und im Kleinen Wiesental Bunker- und Maschinengewehr-Unterstände zu bauen, um
die Franzosen zu stoppen. Als Hilfe erhielten sie zehn junge Zwangsarbeiter aus
Osteuropa zugeteilt. Sieben der Fremdarbeiter wurden dem Kommando bei
Elbenschwand zugeteilt. Die Werwölfe sollten vermutlich den kleinen Pass am
Wolfsacker oberhalb Elbenschwand, die Grenze zwischen dem Kleinen und dem Großen
Wiesental, verteidigen.
Laut Noe äußerte sich einer der als Werwolf eingesetzten Hitlerjungen später vor
Gericht: "Wir wuchsen mit denen zu einer Gemeinschaft zusammen, sie waren ja so
jung wie wir", wird er zitiert. Man arbeitete zusammen, man schenkte sich
Andenken, man berichtete aus seinem Leben, man rauchte Zigaretten, spielte
Karten und sang sich Lieder vor.
Doch einer der Werwölfe hatte erfahren, dass diese Fremden später umgebracht
werden sollen und riet ihnen zur Flucht. Zwei der jungen Männer folgten dem Rat.
Kurt Rahäuser begab sich dann zur Stellung, beschimpfte die Hitlerjungen und gab
ihnen den Befehl zur Erschießung der fünf restlichen Zwangsarbeiter. In zwei
Gruppen ließen die Werwölfe laut Noe die Ahnungslosen vor sich hergehen, um sie
zu erschießen. Drei der Arbeiter wurden nahe der Gemarkungsgrenze
Käsern/Pfaffenberg ermordet. Später fanden Pilzsucher beim Käsernhof oberhalb
Pfaffenberg die Leichen. Sie wurden auf dem Friedhof in Zell-Atzenbach beerdigt.
Juristische Aufarbeitung: Die Namen der jungen Täter wollte Viardot nicht
nennen. Einige hätten sich zu einem späteren Zeitpunkt das Leben genommen,
andere seien teilweise dem Alkohol verfallen, so Viardot. Kommandant Rahäuser
hatte sich zunächst in die DDR abgesetzt, wurde jedoch 1987 vom Landgericht
Waldshut-Tiengen zu drei Jahren Haft verurteilt. Die sieben Werwölfe erhielten
Haftstrafen zwischen drei Monaten und sieben Jahren.
Die Gedenktafel: Hansjürg Baumgartner von KuK stellte die Beschriftung
der Bronzeplatten auf dem Gedenkstein vor. Sein Anliegen sei Wirkung durch
Knappheit des Textes. Der Stein soll ein Mahnmal gegen das Vergessen und
Verdrängen sein. Eingelassen in den Granit wurde eine Bildtafel mit fünf Kreuzen
für die fünf erschossenen Opfer sowie eine Schrifttafel.
Man habe sich bei KuK Gedanken darüber gemacht, dass auch die jugendlichen
Werwölfe Opfer des NS-Systems geworden waren. Aber eine Vermischung zwischen
Opfern und Tätern dürfe es nicht geben, auch nicht beim Gedenkstein.
Der ehemalige Ortsvorsteher von Hägelberg, Hans-Georg Koger, berichtete über die
Ermordung der drei Zwangsarbeiter im April 1945 in Hägelberg. Dort wurde 1997
ein Gedenkstein gesetzt. Koger berichtete über anfängliche Widerstände bei der
Aktion und die letztlich positive Resonanz in der Öffentlichkeit.
Hans Viardot teilte mit, dass für den Gedenkstein bewusst keine öffentlichen
Zahlungen in Anspruch genommen wurden.
Damit wollte KuK Widerstände, wie man sie in Hägelberg erfahren hatte,
vermeiden.
![](unterstand_hirschkopf_bz.jpg)
Die Gedenkveranstaltung führte auch zu einer mutmaßlichen
Maschinengewehr-Stellung am Spitzenfelsen.
Die Werwolf-Angehörigen hatten Zwangsarbeiter zur Hilfe; nur zwei von ihnen
konnten entkommen.
Was noch übrig ist: Tegernaus Revierförster Rüdiger Motzke führte die
Besucher am Samstag zu einer kleineren Grube am Hirschkopf. Ursprünglich waren
es wohl fünf. Sie waren etwa zwei Meter lang und dienten allem Anschein nach
dazu, Waffen, Munition und Lebensmittel für die Zeit nach dem erwarteten
deutschen Endsieg zu vergraben. In kurzer Entfernung befand sich beim
Spitzenfelsen ein damals von den Werwölfen und den jungen Zwangsarbeitern
gegrabener Unterstand, der noch erkennbar ist. Munitionsfunde und Einsätze des
Kampfmittelbeseitigungsdienstes zeugen von der Geschichte der Grube, die sich in
einem zehn Hektar großen Weißtannenwald befindet. Einige Bäume neben der Grube
müssen im Herbst vorsichtig gefällt werden – nicht auszuschließen, dass sich im
Wurzelwerk oder der Umgebung noch weitere Überraschungen finden lassen.
Rüdiger Motzke erzählte, dass in den Jahren nach Kriegsende die Bewohner viele
Fundsachen aus dem Wald verwerteten. So fand sich im Türsturz eines Hauses in
Elbenschwand der eingebaute Rahmen eines Militär-Lastwagens, der offenbar bei
der Flucht der Soldaten im Wald zurückgelassen wurde. Eine weitere Grube, wohl
ebenfalls eine MG-Stellung, wurde in zirka 500 Metern Entfernung in steilem
Gelände beim Tannenkopf gezeigt. Möglicherweise sollten die beiden MG-Stellungen
den Pass zum Kleinen Wiesental flankieren. Die damaligen Sichtverhältnisse
sprechen für diese Möglichkeit.
Abschluss: Nach Abschluss der Veranstaltung traf man sich zum Aufwärmen
in einer Gaststätte in Holl. Hans Viardot sprach von der wegweisenden Aktivität
der Schüler der heutigen Meret-Oppenheim-Schule in Steinen mit Hans-Georg Koger
im Fall Hägelberg. Man habe den Toten ihre Würde wiedergegeben. Viardot verwies
auf die Internet-Mediathek des ZDF mit dem Beitrag zu "History", "Werwölfe –
Hitlers letztes Aufgebot", das auch vom Geschehen des Kleinen Wiesentals
berichtet.
Original-Bericht
und Fotos: Badische Zeitung /
Gudrun Gehr
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