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Presse - Aktuell                                            

BZ - Bericht vom 26. April 2016

 

Mühsame Erinnerung an Opfer und Täter

Mit einer Exkursion ist das Gedenken an die Zwangsarbeiter-Morde von 1945 bei Elbenschwand
vorerst abgeschlossen / Förster rechnet mit weiteren militärischen Funden.

Zu einer Gedenkveranstaltung im Elbenschwander Wald unter dem Motto "Aufarbeiten und nicht anklagen" hatte die Initiative KuK unter Leitung von Hans Viardot am Samstag eingeladen. Viele Menschen kamen zu dem neu aufgestellten Gedenkstein am Tatort der "Werwolf"-Morde. Sie erfuhren neue Details über die Verbrechen im April 1945.


Viele Menschen kamen trotz Kälte und Regen zu der Veranstaltung.

Vorgeschichte: Im November letzten Jahres wurde mit einer Gedenkveranstaltung in der Laurentiuskirche in Tegernau und einem Gedenkstein mit Bronzetafeln auf dem Hirschkopf der Ermordung von fünf jungen Zwangsarbeitern aus Litauen, Polen und Russland durch junge deutsche "Werwölfe" in den letzten Kriegstagen im Elbenschwander Wald erinnert. Aufgrund der Jahreszeit konnte damals eine Veranstaltung am Ort des Geschehens aber nicht durchgeführt werden. Der April machte nun am Samstag seinem Namen allerdings alle Ehre, es regnete in Strömen, hatte deutlich abgekühlt, und tief hing der Nebel in den Bergen. Hans Viardot von KuK (Kunst und Kultur im Kleinen Wiesental) begrüßte die Anwesenden, die trotz des widrigen Wetters den Weg hoch auf rund 1100 Meter Höhe gefunden hatten.

Der drei Tonnen schwere Gedenkstein ist aus Granit. Es ist kein runder Findling, sondern ein aus dem Tegernauer Steinbruch herausgesprengter "grober Klotz für eine grobe Tat". Hans Viardot schilderte das Vorgehen beim Aufstellen des Steines durch schwierigstes Gelände. Behilflich waren beim Transport Boris Gempp und Bernd Langendorf; Werner Zeh stellte seinen Wald für den Standort zur Verfügung, Andreas Seiler war für die aufwendigen Steinmetzarbeiten zuständig. Gespendet wurde der Stein von
Rudolf Erne von der Firma Schwarzwald-Granit. Vom Schwarzwaldverein ist die Montage von Wegweisern zu der schwierig
aufzufindenden Örtlichkeit vorgesehen.

Stimmen: Bürgermeister Gerd Schönbett freute sich über das Interesse der Besucher zum zweiten Teil der Veranstaltung.
Er mahnte, dass ein solches Terror-Regime wie bei den Nationalsozialisten nie mehr entstehen dürfe.
 

 
"Wir wuchsen mit denen zu
einer Gemeinschaft
zusammen, sie waren ja
so jung wie wir."
 
Einer der Täter vor Gericht
 
Pfarrer Christian Rave sagte: "Das Gedenken der Menschen und das Wort Gottes gehören zusammen." Er gedachte der ermordeten jungen Zwangsarbeiter, auch derer, die im Wald bei Hägelberg starben und nannte deren Namen: Peter Lukjanow, Edouard Jucsis, Alfons Ryngucki, Stanislaw Grutus, Cslaw Kinzki, Anton Tschaplinski, Zdzislaw Jablonowski und Nikolai Sobbanow.

Pfarrer Rave betete mit den Anwesenden das Vaterunser und sprach ein Segenswort.
Nur das Geräusch der Regentropfen unterbrach die vollkommene Stille beim Gedenken.




Ernst Brenneisen aus Schlächtenhaus-Heuberg vor dem Gedenkstein.

Zeitzeuge Ernst Brenneisen aus Schlächtenhaus-Heuberg (Jahrgang 1932) berichtete über das damalige Gerücht, dass es im Röttler Wald Wunderwaffen gebe, die den Kriegsverlauf positiv beeinflussen würden. Die Kinder und Jugendlichen seien vor Kriegsende fanatisiert worden. Auch aktuell stehe bei manchen politischen Parteien Menschenverachtung im Vordergrund. Er schloss mit einem Appell gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen das Vergessen der schrecklichen Taten.

 Die Taten: Ende April 1945 sind immer mehr französische Truppen von Westen her einmarschiert. Historiker Hansjörg Noe stellte fest, dass der SS-Offizier Kurt Rahäuser aus Hamburg und 20 Hitlerjungen von der Organisation Werwolf zu Erdarbeiten eingesetzt waren. Sie bekamen den Befehl, im Raum Steinen und im Kleinen Wiesental Bunker- und Maschinengewehr-Unterstände zu bauen, um die Franzosen zu stoppen. Als Hilfe erhielten sie zehn junge Zwangsarbeiter aus Osteuropa zugeteilt. Sieben der Fremdarbeiter wurden dem Kommando bei Elbenschwand zugeteilt. Die Werwölfe sollten vermutlich den kleinen Pass am Wolfsacker oberhalb Elbenschwand, die Grenze zwischen dem Kleinen und dem Großen Wiesental, verteidigen.

Laut Noe äußerte sich einer der als Werwolf eingesetzten Hitlerjungen später vor Gericht: "Wir wuchsen mit denen zu einer Gemeinschaft zusammen, sie waren ja so jung wie wir", wird er zitiert. Man arbeitete zusammen, man schenkte sich Andenken, man berichtete aus seinem Leben, man rauchte Zigaretten, spielte Karten und sang sich Lieder vor.

Doch einer der Werwölfe hatte erfahren, dass diese Fremden später umgebracht werden sollen und riet ihnen zur Flucht. Zwei der jungen Männer folgten dem Rat. Kurt Rahäuser begab sich dann zur Stellung, beschimpfte die Hitlerjungen und gab ihnen den Befehl zur Erschießung der fünf restlichen Zwangsarbeiter. In zwei Gruppen ließen die Werwölfe laut Noe die Ahnungslosen vor sich hergehen, um sie zu erschießen. Drei der Arbeiter wurden nahe der Gemarkungsgrenze Käsern/Pfaffenberg ermordet. Später fanden Pilzsucher beim Käsernhof oberhalb Pfaffenberg die Leichen. Sie wurden auf dem Friedhof in Zell-Atzenbach beerdigt.

Juristische Aufarbeitung: Die Namen der jungen Täter wollte Viardot nicht nennen. Einige hätten sich zu einem späteren Zeitpunkt das Leben genommen, andere seien teilweise dem Alkohol verfallen, so Viardot. Kommandant Rahäuser hatte sich zunächst in die DDR abgesetzt, wurde jedoch 1987 vom Landgericht Waldshut-Tiengen zu drei Jahren Haft verurteilt. Die sieben Werwölfe erhielten Haftstrafen zwischen drei Monaten und sieben Jahren.

Die Gedenktafel: Hansjürg Baumgartner von KuK stellte die Beschriftung der Bronzeplatten auf dem Gedenkstein vor. Sein Anliegen sei Wirkung durch Knappheit des Textes. Der Stein soll ein Mahnmal gegen das Vergessen und Verdrängen sein. Eingelassen in den Granit wurde eine Bildtafel mit fünf Kreuzen für die fünf erschossenen Opfer sowie eine Schrifttafel.

Man habe sich bei KuK Gedanken darüber gemacht, dass auch die jugendlichen Werwölfe Opfer des NS-Systems geworden waren. Aber eine Vermischung zwischen Opfern und Tätern dürfe es nicht geben, auch nicht beim Gedenkstein.

Der ehemalige Ortsvorsteher von Hägelberg, Hans-Georg Koger, berichtete über die Ermordung der drei Zwangsarbeiter im April 1945 in Hägelberg. Dort wurde 1997 ein Gedenkstein gesetzt. Koger berichtete über anfängliche Widerstände bei der Aktion und die letztlich positive Resonanz in der Öffentlichkeit.

Hans Viardot teilte mit, dass für den Gedenkstein bewusst keine öffentlichen Zahlungen in Anspruch genommen wurden.
Damit wollte KuK Widerstände, wie man sie in Hägelberg erfahren hatte, vermeiden.


Die Gedenkveranstaltung führte auch zu einer mutmaßlichen Maschinengewehr-Stellung am Spitzenfelsen.
Die Werwolf-Angehörigen hatten Zwangsarbeiter zur Hilfe; nur zwei von ihnen konnten entkommen.

Was noch übrig ist: Tegernaus Revierförster Rüdiger Motzke führte die Besucher am Samstag zu einer kleineren Grube am Hirschkopf. Ursprünglich waren es wohl fünf. Sie waren etwa zwei Meter lang und dienten allem Anschein nach dazu, Waffen, Munition und Lebensmittel für die Zeit nach dem erwarteten deutschen Endsieg zu vergraben. In kurzer Entfernung befand sich beim Spitzenfelsen ein damals von den Werwölfen und den jungen Zwangsarbeitern gegrabener Unterstand, der noch erkennbar ist. Munitionsfunde und Einsätze des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zeugen von der Geschichte der Grube, die sich in einem zehn Hektar großen Weißtannenwald befindet. Einige Bäume neben der Grube müssen im Herbst vorsichtig gefällt werden – nicht auszuschließen, dass sich im Wurzelwerk oder der Umgebung noch weitere Überraschungen finden lassen.

Rüdiger Motzke erzählte, dass in den Jahren nach Kriegsende die Bewohner viele Fundsachen aus dem Wald verwerteten. So fand sich im Türsturz eines Hauses in Elbenschwand der eingebaute Rahmen eines Militär-Lastwagens, der offenbar bei der Flucht der Soldaten im Wald zurückgelassen wurde. Eine weitere Grube, wohl ebenfalls eine MG-Stellung, wurde in zirka 500 Metern Entfernung in steilem Gelände beim Tannenkopf gezeigt. Möglicherweise sollten die beiden MG-Stellungen den Pass zum Kleinen Wiesental flankieren. Die damaligen Sichtverhältnisse sprechen für diese Möglichkeit.

Abschluss: Nach Abschluss der Veranstaltung traf man sich zum Aufwärmen in einer Gaststätte in Holl. Hans Viardot sprach von der wegweisenden Aktivität der Schüler der heutigen Meret-Oppenheim-Schule in Steinen mit Hans-Georg Koger im Fall Hägelberg. Man habe den Toten ihre Würde wiedergegeben. Viardot verwies auf die Internet-Mediathek des ZDF mit dem Beitrag zu "History", "Werwölfe – Hitlers letztes Aufgebot", das auch vom Geschehen des Kleinen Wiesentals berichtet.



Original-Bericht und Fotos: Badische Zeitung / Gudrun Gehr

 


Weitere Informationen finden Sie hier:


ZDF History - Organisation Werwolf Hitlers letztes Aufgebot >    https://www.youtube.com/watch?v=esKUcibulHY
insbesondere ab ca. 19 min Laufzeit


 WERWOLF - Wir haben es versprochen >    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44448432.html

 RECHT / BESATZUNGS-URTEILE - Urlaub auf Ehrenwort >    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45922223.html


 
 
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