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Presse - Aktuell

 

BZ - Bericht vom 30. Oktober 2017

 

 

Chancen und Flops in der Biosphäre

Spannende Gesprächsrunde über Biosphärengebiet / Zells Landwirte skeptisch /
Gresger Förderanträge schleppend bearbeitet.


Chance oder Risiko? Zells Landwirte stehen dem Biosphärengebiet skeptisch gegenüber.   Foto: Bergmann

Zu einer Gesprächsrunde über das neue Biosphärengebiet Südschwarzwald hatte der Verein Krone und Kultur vier Fachleute ins Wirtshausmuseum Krone Tegernau eingeladen. Es entspann sich ein munteres Gespräch zwischen Walter Kemkes, Geschäftsstellenleiter des Biosphärengebietes mit Sitz in Schönau, der Biologin Ruth Noack, Patricia Fromm für den Bereich Wirtschaft und Tourismus und dem Revierförster im Kleinen Wiesental, Joachim Trautwein.

Das Podium, die Fragen: Die Podiumsdiskussion, geleitet von Ruth Noack, entwickelte sich interessant. Welche regional bezogenen Erwartungen kann sich der Bürger machen, was kann er selbst einbringen, welcher Nutzen ist im Tal zu erzielen? Gab es schon Erfolge zu verzeichnen? Unter den Teilnehmern befanden sich auch fünf Landwirte, die ihre Sorgen und Hoffnungen in Bezug auf die Auszeichnung der UNESCO schilderten.

Landwirtschaft: Unter den Landwirten im Zeller Bergland seien die Vorbehalte gegenüber dem Biosphärengebietes hoch, erklärte Zells neugewählter Bürgermeister Peter Palme. "Unsere Landwirte haben die allergrößten Sorgen". Palmes Forderung: Die Landwirte müssten gezielt angesprochen werden, es müsse ihnen vermittelt werden, dass die Chancen durch die Förderungen des Biosphärengebiets größer sind als die Ängste, die sie verspüren. Geschäftsstellenleiter Walter Kemkes zeigte sich verwundert über die Skepsis auf Seiten der Landwirte, denn: "Es gibt im Biosphärengebiet keine einzige Restriktion an Landwirte". Die Anerkennung als BSG bedeutet ein großes Lob und Wertschätzung für die bisherige Regionalentwicklung. Vergleichbar mit dem Südschwarzwald sei nur noch der (Vor)-Alpenraum. Auch gebe es eine Vielzahl von neuen Fördertöpfen, die den Landwirten helfen können. Landwirte mit Fragen zum Biosphärengebiet könnten gerne den Kontakt zur Geschäftsstelle suchen, dort stehe ihnen im Fachbereich "Landnutzung" eine Agrar-Ingenieurin und eine Forstwirtin zur Beratung über die Förderprogramme zur Verfügung.

Schlachthaus Schönau: Als spezielles Beispiel aus der Landwirtschaft, um das sich die Biosphären-Verantwortlichen kümmern könnten, sprach Bürchaus früherer Bürgermeister Herbert Baier die ökonomischen Schwierigkeiten des Schlachthauses Schönau an, das zwischenzeitlich zum Verkauf steht. Dieses Schlachthaus, geschätzt von den Landwirten, sollte als Vermarktungsstützpunkt erhalten bleiben. Wäre es nicht möglich, unter Regie der Biosphäre, mit dem Landkreis und den Rinderzüchterverbänden im Boot einen "runden Tisch" ins Leben zu rufen, um das Schlachthaus zu retten?, fragte Baier. Denn sollte Schönau sein Schlachthaus verlieren, müssten die Schlachttiere ins nächstgelegene Schlachthaus nach Freiburg transportiert werden, was zum einen die Wertschöpfung verringert, zum anderen auch Stress und Leid für die Tiere erzeugt. Peter Palme ergänzte, dass die Mitbürger muslimischen Glaubens in Schönau und Zell auf das Schlachthaus angewiesen seien, um die Tiere den religiösen Vorschriften entsprechend schlachten und verarbeiten zu können. Was den Fortbestand des Schlachthauses in Schönau angeht, habe die EU hohe Messlatten angelegt, entgegnete Biosphären-Vertreter Kemkes. Nachzudenken sei aber nach einem möglichen Aus in Schönau über neue Wege, wie beispielsweise den Weideschuss oder mobile Schlachtereien.


Andreas Lang, Vera Noy, Peter Palme und Erwin Vollmer (von links) setzen sich für die Rettung des
Gresgener Ammele-Kirschbaum ein. Das Biosphärengebiet war dabei bislang noch keine große Hilfe.
Foto:
privat

Antragsodyssee für Gresger Kirschbäume: Vera Noy aus Gresgen berichtete über die hohen bürokratischen Hürden beim Beantragen eines Zuschusses im Rahmen des Biosphärengebietes. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern versucht sie, die aussterbenden Gresger Sauerkirschbäume "Ammele", am Leben zu erhalten und gesunde Jungpflanzen zu züchten. Auf Gresger Gebiet gibt es derzeit noch 34 Bäume mit den kleinen süßen Früchten. Vier Exemplare seien letztes Jahr abgestorben und drei weitere sind krank. Die Baumart sei also stark gefährdet. Ziel der "Ammele-Freunde" ist es, dass möglichst viele Gresger wieder Kirschbäume auf ihrem Grund und Boden pflanzen. Gemeinsam mit dem Gresger Verschönerungsverein wurde beschlossen, Fördermittel beim Biosphäregebiet zu beantragen, da unter anderem mehrere kostenintensive Gen-Analysen der übrigen Bäume erforderlich sind. Mühsam wurde schließlich ein Obstbau-Institut am Bodensee gefunden, das als einziges in Deutschland in der Lage sei, entsprechende Analysen zu machen. Dort mussten schließlich die noch grünen Blätter der Bäume vorsorglich eingefroren werden, da immer noch kein endgültiger Bewilligungsbescheid vorlag. Vera Noys Fazit nach dieser Odyssee: "Die Beantragung von Zuschüssen erfordert einen langen Atem und große Hartnäckigkeit". Walter Kemkes bedauerte die Umstände, betonte jedoch, dass das Biosphärengebiet als Stabsstelle zum Regierungspräsidium Freiburg gehört und somit an Landesrecht und an die Haushaltsordnung gebunden sei.

Tourismus hofft auf Aufschwung: Patricia Fromm, Vertreterin des Kleinen Wiesentals im Lenkungskreis, ist optimistisch, was die Entwicklung des Tourismus nach der feierlichen Verleihung des Unesco-Siegels angeht: "Das zieht einfach, wenn Biosphärengebiet davor steht". Es gäbe viele Gäste, die auf den Spuren der Natur sind und ihre Urlaubsziele deshalb auswählen, weil sich dort ein Nationalpark oder ein Biosphärengebiet befindet. Deshalb sei die Urlaubsregion Schwarzwald noch attraktiver geworden. Für das neue Gebiet lägen jedoch noch keine Zahlen vor, so Fromm.


Für die Nachhaltigkeit und den Holzeinschlg in den Wäldern ist der Forst zuständig,
nicht das Biosphärengebiet.    Foto: dsa

Holzeinschlag ist Forstsache: Ein Bürger beschrieb im Holzlager Niedertegernau die massive Belegung mit 18 000 Kubikmetern Buchenholz. Die Frage wurde aufgeworfen, woher dieses Holz stammt und ob die Wälder "leergeräumt" werden, damit anderswo die Bestände geschont würden. Auch sei im Bereich des Nonnenmattweihers ein "rücksichtsloser Kahlschlag" erfolgt. Der Bürger erkundigte sich, ob nicht die Verantwortlichen für das Biosphärengebiet gegen diese "Missstände" vorgehen könne. Walter Kemkes entgegnete, dass für mögliche Verstöße die Forstverwaltung zuständig sei. Revierförster Joachim Trautwein bestätigte, dass im Holzlager des privaten Betreibers in Niedertegernau Holz aus dem ganzen Landkreis Lörrach lagert – darunter finde sich tatsächlich ein hoher Prozentanteil von Laubholz. Der Forst achte aber in seinen Wäldern seit Jahrzehnten darauf, dass der Holzeinschlag nicht überhandnehme.

 

Förderanträge für Projekte sind abrufbar unter  http://www.biosphärengebiet-schwarzwald.de

 

 

Original-Bericht: BZ / Gudrun Gehr
 

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