|
Chancen und Flops in der Biosphäre
Spannende
Gesprächsrunde über Biosphärengebiet / Zells Landwirte skeptisch /
Gresger Förderanträge schleppend bearbeitet.

Chance oder Risiko? Zells Landwirte stehen dem Biosphärengebiet skeptisch
gegenüber. Foto: Bergmann
Zu
einer Gesprächsrunde über das neue Biosphärengebiet Südschwarzwald hatte der
Verein Krone und Kultur vier Fachleute ins Wirtshausmuseum Krone Tegernau
eingeladen. Es entspann sich ein munteres Gespräch zwischen Walter Kemkes,
Geschäftsstellenleiter des Biosphärengebietes mit Sitz in Schönau, der Biologin
Ruth Noack, Patricia Fromm für den Bereich Wirtschaft und Tourismus und dem
Revierförster im Kleinen Wiesental, Joachim Trautwein.
Das Podium, die Fragen: Die Podiumsdiskussion, geleitet von Ruth Noack,
entwickelte sich interessant. Welche regional bezogenen Erwartungen kann sich
der Bürger machen, was kann er selbst einbringen, welcher Nutzen ist im Tal zu
erzielen? Gab es schon Erfolge zu verzeichnen? Unter den Teilnehmern befanden
sich auch fünf Landwirte, die ihre Sorgen und Hoffnungen in Bezug auf die
Auszeichnung der UNESCO schilderten.
Landwirtschaft: Unter den Landwirten im Zeller Bergland seien die
Vorbehalte gegenüber dem Biosphärengebietes hoch, erklärte Zells neugewählter
Bürgermeister Peter Palme. "Unsere Landwirte haben die allergrößten Sorgen".
Palmes Forderung: Die Landwirte müssten gezielt angesprochen werden, es müsse
ihnen vermittelt werden, dass die Chancen durch die Förderungen des
Biosphärengebiets größer sind als die Ängste, die sie verspüren.
Geschäftsstellenleiter Walter Kemkes zeigte sich verwundert über die Skepsis auf
Seiten der Landwirte, denn: "Es gibt im Biosphärengebiet keine einzige
Restriktion an Landwirte". Die Anerkennung als BSG bedeutet ein großes Lob und
Wertschätzung für die bisherige Regionalentwicklung. Vergleichbar mit dem
Südschwarzwald sei nur noch der (Vor)-Alpenraum. Auch gebe es eine Vielzahl von
neuen Fördertöpfen, die den Landwirten helfen können. Landwirte mit Fragen zum
Biosphärengebiet könnten gerne den Kontakt zur Geschäftsstelle suchen, dort
stehe ihnen im Fachbereich "Landnutzung" eine Agrar-Ingenieurin und eine
Forstwirtin zur Beratung über die Förderprogramme zur Verfügung.
Schlachthaus Schönau: Als spezielles Beispiel aus der Landwirtschaft, um
das sich die Biosphären-Verantwortlichen kümmern könnten, sprach Bürchaus
früherer Bürgermeister Herbert Baier die ökonomischen Schwierigkeiten des
Schlachthauses Schönau an, das zwischenzeitlich zum Verkauf steht. Dieses
Schlachthaus, geschätzt von den Landwirten, sollte als Vermarktungsstützpunkt
erhalten bleiben. Wäre es nicht möglich, unter Regie der Biosphäre, mit dem
Landkreis und den Rinderzüchterverbänden im Boot einen "runden Tisch" ins Leben
zu rufen, um das Schlachthaus zu retten?, fragte Baier. Denn sollte Schönau sein
Schlachthaus verlieren, müssten die Schlachttiere ins nächstgelegene
Schlachthaus nach Freiburg transportiert werden, was zum einen die Wertschöpfung
verringert, zum anderen auch Stress und Leid für die Tiere erzeugt. Peter Palme
ergänzte, dass die Mitbürger muslimischen Glaubens in Schönau und Zell auf das
Schlachthaus angewiesen seien, um die Tiere den religiösen Vorschriften
entsprechend schlachten und verarbeiten zu können. Was den Fortbestand des
Schlachthauses in Schönau angeht, habe die EU hohe Messlatten angelegt,
entgegnete Biosphären-Vertreter Kemkes. Nachzudenken sei aber nach einem
möglichen Aus in Schönau über neue Wege, wie beispielsweise den Weideschuss oder
mobile Schlachtereien.

Andreas Lang, Vera Noy, Peter Palme und Erwin Vollmer (von links) setzen sich
für die Rettung des
Gresgener Ammele-Kirschbaum ein. Das Biosphärengebiet war dabei bislang noch
keine große Hilfe.
Foto: privat
Antragsodyssee für Gresger Kirschbäume: Vera Noy aus Gresgen berichtete über
die hohen bürokratischen Hürden beim Beantragen eines Zuschusses im Rahmen des
Biosphärengebietes. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern versucht sie, die
aussterbenden Gresger Sauerkirschbäume "Ammele", am Leben zu erhalten und
gesunde Jungpflanzen zu züchten. Auf Gresger Gebiet gibt es derzeit noch 34
Bäume mit den kleinen süßen Früchten. Vier Exemplare seien letztes Jahr
abgestorben und drei weitere sind krank. Die Baumart sei also stark gefährdet.
Ziel der "Ammele-Freunde" ist es, dass möglichst viele Gresger wieder
Kirschbäume auf ihrem Grund und Boden pflanzen. Gemeinsam mit dem Gresger
Verschönerungsverein wurde beschlossen, Fördermittel beim Biosphäregebiet zu
beantragen, da unter anderem mehrere kostenintensive Gen-Analysen der übrigen
Bäume erforderlich sind. Mühsam wurde schließlich ein Obstbau-Institut am
Bodensee gefunden, das als einziges in Deutschland in der Lage sei,
entsprechende Analysen zu machen. Dort mussten schließlich die noch grünen
Blätter der Bäume vorsorglich eingefroren werden, da immer noch kein endgültiger
Bewilligungsbescheid vorlag. Vera Noys Fazit nach dieser Odyssee: "Die
Beantragung von Zuschüssen erfordert einen langen Atem und große
Hartnäckigkeit". Walter Kemkes bedauerte die Umstände, betonte jedoch, dass das
Biosphärengebiet als Stabsstelle zum Regierungspräsidium Freiburg gehört und
somit an Landesrecht und an die Haushaltsordnung gebunden sei.
Tourismus hofft auf Aufschwung: Patricia Fromm, Vertreterin des Kleinen
Wiesentals im Lenkungskreis, ist optimistisch, was die Entwicklung des Tourismus
nach der feierlichen Verleihung des Unesco-Siegels angeht: "Das zieht einfach,
wenn Biosphärengebiet davor steht". Es gäbe viele Gäste, die auf den Spuren der
Natur sind und ihre Urlaubsziele deshalb auswählen, weil sich dort ein
Nationalpark oder ein Biosphärengebiet befindet. Deshalb sei die Urlaubsregion
Schwarzwald noch attraktiver geworden. Für das neue Gebiet lägen jedoch noch
keine Zahlen vor, so Fromm.
Für die Nachhaltigkeit und den Holzeinschlg in den Wäldern ist der Forst
zuständig,
nicht das Biosphärengebiet. Foto: dsa
Holzeinschlag ist Forstsache: Ein Bürger beschrieb im Holzlager
Niedertegernau die massive Belegung mit 18 000 Kubikmetern Buchenholz. Die Frage
wurde aufgeworfen, woher dieses Holz stammt und ob die Wälder "leergeräumt"
werden, damit anderswo die Bestände geschont würden. Auch sei im Bereich des
Nonnenmattweihers ein "rücksichtsloser Kahlschlag" erfolgt. Der Bürger
erkundigte sich, ob nicht die Verantwortlichen für das Biosphärengebiet gegen
diese "Missstände" vorgehen könne. Walter Kemkes entgegnete, dass für mögliche
Verstöße die Forstverwaltung zuständig sei. Revierförster Joachim Trautwein
bestätigte, dass im Holzlager des privaten Betreibers in Niedertegernau Holz aus
dem ganzen Landkreis Lörrach lagert – darunter finde sich tatsächlich ein hoher
Prozentanteil von Laubholz. Der Forst achte aber in seinen Wäldern seit
Jahrzehnten darauf, dass der Holzeinschlag nicht überhandnehme.
Förderanträge für Projekte sind abrufbar unter http://www.biosphärengebiet-schwarzwald.de
Original-Bericht: BZ / Gudrun Gehr
|