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Gehaltvolle Geschichten rund um das stille Örtchen
Beim
zweiten Schisshüslifest im Tegernauer Wirtshausmuseum "Krone"
steht das historische Plumpsklo erneut im Mittelpunkt.
Erhalten geblieben sind
die alten Konstruktionszeichnungen nach denen Anfang des 20. Jahrhunderts
das „Schisshüsli des Tegernauer Wirtshauses „Krone“ gebaut wurden. Hans Viardot
hatte extra zum Fest wieder zahlreiche Anekdoten rund um die stillen Orte
ausgegraben. Foto: Lacher
Um
Ideen nicht verlegen ist man im Team des Wirtshausmuseums "Krone", wenn es darum
geht, die Einrichtung mit Aktionstagen
ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Ein wahrlich außergewöhnliches
Thema gewählt hatte sich Hans Viardot am Freitagabend –
knapp zwei Dutzend Gäste kamen zum zweiten Schisshüslifest.
Die Geschichte des Kronen-Aborts:
In seinen launigen Ausführungen zur Geschichte des "Schisshüsli" im Tegernauer
Gasthaus "Krone" erwähnte Hans Viardot, dass die Wirtshaustoilette auf eine
preußische Verordnung aus dem Jahr 1884 zurückgeht. Damals verfügte die
Bismarck-Administration, dass in allen öffentlichen Einrichtungen eine Toilette,
im Behördendeutsch damals drastisch "Scheißhaus" genannt, vorhanden sein müsse.
Bis diese Anordnung dann auch fern von Berlin in Wiesentäler Gaststätten
umgesetzt wurde, vergingen allerdings noch einige Jahre. Erst 1901 erhielt der
damalige Kronenwirt Johann-Friedrich Hug die Genehmigung vom Großherzoglichen
Bezirksamt Schopfheim zur Erstellung des Kronen-Schisshüsli. Das hatte ein
Pissoir und Pinkelrinnen, ein "Unisex"-Plumpsklo für die Gäste und eines, das
den Wirtsleuten vorbehalten war. Erstellt wurde es damals vom Zimmermeister
Johann-Georg Stolz aus Tegernau, der dann auch noch für ein ähnliches Häusle
gegenüber der Kirche – beim "Ochsen" verantwortlich zeichnete. Das
Ochsen-Schisshüsli ist längst abgerissen, so dass die alte "Krone"-Toilette ein
wahrlich historischer Ort mit Alleinstellungscharakter ist, sagte Viardot. Als
Toilette genutzt wurde das Schisshüsli
bis 1996. Nach der Erstellung moderner Toiletten im heutigen Wirtshausmuseum
"Krone" haben Schüler der Gewerbeschule Schopfheim 2002 es liebevoll restauriert
einschließlich der Biberschwanz-Eindeckung. Erhalten blieben auch die
Klobürsten, die hölzernen Klodeckel, alte Underbergflaschen und Graffiti.
Kulturgeschichte der Toilette
Hans Viardot verband seine Ausführungen mit historischen Fakten und eigenen
Anekdoten zur Kulturgeschichte der Toilette. Mit deren Einführung sollten
"Austreten" im Freien und entsprechende "Spuren", so Viardot, verhindert werden.
Und dabei, so erinnerte sich Viardot zurück, sei gerade das "Erleichtern an der
frischen Luft" von den Menschen gerade auf dem Lande gerne gepflegt worden. Mit
den menschlichen Exkrementen wurden nicht nur die Felder und Äcker gedüngt,
sondern auch die Hausgärten, erinnerte sich der in Tegernau geborene frühere
Landarzt an seine Kinder- und Jugendtage. Nur zwei Mal im Jahr habe man die
Gruben geleert – ein Überschwappen der Behältnisse kam dabei durchaus vor. Und
bei der Ernte von Gemüse und Salat in den Hausgärten hätte man immer auch die
Überreste der "Scheißhaus"-Nutzung gefunden: "Zeitungspapier fand sich damals
schön verteilt in den Gemüse- und Salatbeeten", erzählte Viardot schmunzelnd.
Die Schattenseiten des eher geringen Hygienebewusstseins hat Viardot in seinem
Alltag als Mediziner beschäftigt: "Die Wurmbelastung der Menschen damals war
grenzwertig und erstreckte sich von der Made bis zum Bandwurm." Mit Blick auf
die "Orte der Erleichterung" vergangener Jahrhunderte erinnerte Viardot daran,
dass bei den alten Römern der Toilettengang eine sozioökonomische Komponente
hatte: "Da wurde in Reihen mit bis zu 60 Plumpsklos auch Politik und Geschäfte
gemacht." Später sei der Toilettengang zu einer schambehafteten Sache geworden
und damit aus dem öffentlichen Bereich verschwunden. Auch die Bezeichnungen
änderten sich – Lokus, Latrine, Abort, Abtritt, Donnerbalken, Plumpsklo waren
Bezeichnungen. Im alemannischen Raum gab es dazu den "Potschamber", die mobile
Toilette in Gestalt eines Nachttopfes, französisch "Pot de Chambre". Den
entleerte man auf dem Misthaufen und in der Stadt einfach zum Fenster hinaus.
Der Rest vom Fest:
Beim Schisshüslifest gab es Musik, Coverversionen englisch- und
deutschsprachiger Pop-und Rocksongs und Schlager sowie die Eigenkomposition "Schisshüsli-Song"
mit dem Duo Simon Rathgeber an der Gitarre und Werner "Turbo" Turowski am
Harmonium. Und ausgiebig Gelegenheit, über das zuvor Gehörte und vieles mehr zu
reden.
BZ-Bericht: Ralph Lacher
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