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Der
"Römer" ist kein Römer
Gustav Oberholzer
schilderte Überraschendes aus der Geschichte der Trinksitten und
Trinkgläser.

Gustav Oberholzer
"Hoch das Glas" - mit Humor schildert Oberholzer, was es mit dem einen
oder anderen
Foto: privat
Trinkgefäß auf sich hat. Foto. Silke Hartenstein
Ist "Schimmeli rite"
eine badische Reitsportvariante? Und haben die Römer das gleichnamige
Trinkgefäß erfunden? Überraschende Antworten auf diese Fragen gab
Professor Gustav Oberholzer bei seinem überaus aufschlussreichen Vortrag
über alte Trinkgefäße und Trinksitten beim jüngsten Frühschoppen im
Wirtshausmuseum "Krone".
Neben einer Auswahl
historischer Trinkgefäße hatte der in München lebende Kulturhistoriker des
ländlichen Raums eine Menge Informationen und Anekdoten über vergangene
und teils heute noch aktuelle Trinksitten mit gebracht. Humorvoll und
locker schlug Oberholzer den Bogen von Hörnern und Muschelschalen, den
ersten Trinkgefäßen der Menschen im europäischen Raum über Humpen, "Moggeletassen"
und Scherzgefäßen wie dem gläsernen Stiefel bis zum Schoppenglas. Vom
schönsten und teuersten historischen Weingefäß der Region, der "Goldenen
Sau von Kandern", hatte er verständlicherweise nur ein Foto mit gebracht.
Lachen müsse er, so Oberholzer, wenn Besucher von Germanenfesten
Schnaps-Trinkhörner am Gürtel trügen, denn Schnaps sei erstmals im 11.
Jahrhundert gebrannt worden. Das Erste, was der Mensch im Leben tue, sei
trinken, stellte er fest. Daraus entwickelten sich vielfältige
Trinkrituale wie der Umtrunk und das Zutrinken. Bei letzterem wird in der
Runde auf einen namentlich Genannten getrunken, woraufhin Geehrter und
Ehrender auf Ex trinken müssen. Je mehr Jemandem zugetrunken wurde, desto
höher war dessen gesellschaftlicher Status. Diese der Mäßigkeit stark
abträgliche Sitte führte im Jahr 1500 zu einem Reichstagsbeschluss, der
das Zutrinken verbat – das Volk trank daraufhin den "verehrten
Reichtagsbeschlüssen" zu. Auch der Willkommenstrunk war lange weit
verbreitet, übrigens auch dann, wenn der Arzt zum Hausbesuch kam.
Oberholzer: "Einige Ärzte sind daran gescheitert". Zum Scheitern
verurteilt waren häufig auch Ehen, an deren Anfang die "Weinhochzeit"
stand: Diese, beim Zutrinken in der Wirtschaft gemachten Eheversprechen
galten seinerzeit als rechtskräftig.
Deutlich wurde bei Oberholzers Vortrag, dass die Menschen zum
Alkoholgenuss lange ein deutlich unbefangeneres Verhältnis hatten als in
der Gegenwart – vermutlich, so Oberholzer, weil sie nicht so lange gelebt
hätten. Heute trügen die strengen Alkoholkontrollen zum Schwinden der
Geselligkeit in den Wirtschaften bei. Dass bei einem modernen Frühschoppen
vorwiegend alkoholfreie Getränke konsumiert werden, zeigte ein Blick in
die Runde: Einsam behaupteten sich hier zwei Bierflaschen inmitten einer
überwältigenden Mehrheit von Saftschorles und Mineralwasser.
Zurück zu den Fragen am Textanfang: Ging der Hausherr in den Keller, um
seinen hellen Keramikkrug mit Fasswein zu füllen, hieß das im Volksmund "Schimmeli
rite". Römer wiederum kommt vom rheinländischen "roemen" (rühmen).
Nebenher erzählte Oberholzer vom einstigen Professorengehalt, dass zum
Teil in Wein bezahlt worden sei, so auch bei Johann Peter Hebel. Hier
blieb die Frage offen: Wie bewältigte der Dichter sein Jahresdeputat von
1000 Litern Wein?
Bericht: BZ / Silke Hartenstein
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