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Der
Landesvater kam noch persönlich
Peter Hendrik Paul
plauderte aus der Klein-Wiesentäler Schulgeschichte
und über den Werdegang der Nachbarschaftsschule

Peter Hendrik Paul (Mitte) beim Erzählen der Schulgeschichte. Foto: Heiner Fabry
Der 22.
Krone-Frühschoppen in Tegernau war wieder ein herausragendes Beispiel
erlebter Heimatgeschichte aus dem Kleinen Wiesental. Peter Hendrik Paul,
ehemaliger Schulmeister in Raich und Gründungsrektor der
Nachbarschaftsschule, erzählte aus dem Schulleben früherer Jahre und wurde
dabei von Hans-Jürgen Klaus, Pfarrer Karl-Ludwig Simon und Hans Viardot
unterstützt.
Schon der Einstieg war beeindruckend. Peter Hendrik Paul, der 1957 in
Raich eine neue Heimat fand, erklärte dass die einstigen Volksschulen in
der Reformation und in der von Martin Luther ausgelösten Bildungsbewegung
gründen. Denn bis zur Reformation hatte es nur Lateinschulen gegeben, die
nicht allen Kindern offen standen. So entstand um 1600 die erste
Volksschule in Tegernau, die bis etwa 1700 auch die einzige blieb. Damals
fand Schule nur von Martini bis Fasnacht statt, da die Kinder in den
übrigen Monaten in der Landwirtschaft helfen mussten. Gelehrt wurde Lesen
und Schreiben sowie der Katechismus, Rechnen wurde erst später Schulfach.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden dann in allen Dörfern eigene
Schulen und sogar eigene Schulhäuser, in denen bis zu 60 Kinder in einer
Klasse unterrichtet wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts war dann ein
Schulzustand erreicht, der bis zum Ende des 2. Weltkriegs unverändert
bestand.
Mit dem Schulentwicklungsplan in den 1960er Jahren kam die Forderung nach
Jahrgangsklassen. Folge: Die kleinen Dorfschulen blieben auf der Strecke.
So entstand 1972 in Tegernau die Nachbarschaftsschule Kleines Wiesental.
Damals kam Ministerpräsident Hans Filbinger persönlich ins Tal, um die
Finanzierung zuzusagen. Im März 1975 war dann die feierliche Einweihung
des neuen Schulhauses, das am Rand von Tegernau entstand und heute aus dem
Tal nicht mehr wegzudenken ist.
Peter Hendrik Paul erzählte lebhaft und anschaulich aus den Zeiten, als
man sich im Winter im Schulhaus um den Kachelofen drängte oder die
Schulfeiern in den Gasthäusern mit Liedern und Krippenspielen feierte.
Pfarrer Karl-Ludwig Simon, Hans Viardot und Pauls Nachfolger Hans-Jürgen
Klaus steuerten weitere Geschichten und Episoden aus dem Alltag im Tal
bei. Viele der Zuhörer in der Krone hatten die geschilderten Zeiten noch
selbst erlebt, und konnten aus eigenem Erleben über lange Schulwege zu
Fuß, strenge Lehrer, aber auch anrührende und bewegende Erlebnisse
berichten. Dass die Zeiten und die Einstellungen früher anders waren als
heute, wurde klar, als Hans-Jürgen Klaus berichtete, dass er sich vor
Dienstantritt in Neuenweg beim Bürgermeister vorstellen und noch schnell
heiraten musste, denn es war undenkbar, dass ein unverheiratetes Paar eine
gemeinsame Wohnung bezog. Für die Gäste in der Krone war es eine lebendige
Zeitreise in frühere Jahre und ein Erinnern daran, wie groß die
Gemeinsamkeiten im Tal waren und wie tief die gemeinsamen Wurzeln reichen.
Bericht. BZ/Heiner Fabry
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