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Die Chronik der sonntäglichen "Krone - Frühschoppen"

 

 

 

"Meldet euch zu Wort!"

Frühschoppen in der Krone beschäftigte sich mit dem mutigen Pfarrer Ludwig Simon


Drei Referenten, ein Thema: Wies' Bürgermeister Horst Wezel, Pfarrer Karl-Ludwig Simon
und Alt-Landtagsabgeordneter Peter Reinelt sprachen in der Krone über Ludwig Simon.
Foto:Tim Nagengast

Langsam, aber sicher entwickelt sich das alte Gasthaus Krone immer mehr in Richtung Kulturzentrum. Zu den beliebten „Chrone-Obende" haben sich mittlerweile die Frühschoppen gesellt, die den Abenden vom Zuhörerzuspruch das Wasser reichen können. Stand zum März-Frühschoppen noch der Nobelpreisträger Werner Forßmann auf dem Programm, kam nun die nächste Person an die Reihe, die ebenfalls zeitweise in Wies lebte und wirkte: Pfarrer Ludwig Simon.

Es mag von Vorteil gewesen sein, dass jenem Dörflein am Fuße des Kohlgartens wohl einst der Ruf vorauseilte, am sprichwörtlichen Ende der Welt zu liegen. Warum hätte die evangelische Landeskirche ihren missliebig gewordenen Pfarrer wohl sonst dorthin „entsorgt" ? Ludwig Simon, den man schon in frühen Berufsjahren - etwa in Ettlingen - nur „rotes Vikärle" nannte, war ob seiner klar religiös-sozialistischen Einstellung, die er nicht hinter dem Berg hielt, immer wieder aufgefallen. Zwangsversetzungen waren die Folge, denn auch gute Teile der Kirche mühten sich in den dreißiger Jahren redlich, dem herrschenden Zeitgeist und seinen ausführenden Kräften zu gefallen. Einer wie Pfarrer Simon störte da nur. Auf den Gipfel trieb es jener wohl, als er am Tage der Kanzlerwahl Adolf Hitlers als 28-jähriger Pfarrer in Gegenwart von Soldaten und Gefangenen im Lager Heuberg eine äußerst kritische Predigt hielt, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Die Kirchenleitung jedenfalls hielt ob ihres unbequemen Jungpfarrers eine Krisensitzung. Und ein Protokoll jener Tage belegt den Beschluss, Simon „aus dem Verkehr zu ziehen". Man versetzte das missliebig gewordene Mitglied des Bundes religiöser Sozialisten also 1934 nach Wies - in die badische Pampas - damit er im aufstrebenden Nationalsozialismus keinen Schaden mehr anrichten konnte. Da Pfarrer Ludwig Simon sich aber nach wie vor den Mund nicht verbieten ließ und permanent mit Politik, Zeitgeist und Kirchenleitung über Kreuz lag, überwachte ihn die Gestapo auch in Wies, wo er bis 1938 wirkte, ehe er eingezogen wurde.

Nach weiteren beruflichen Stationen andernorts kehrte Simon 1963 schließlich nach Wies zurück, wirkte wieder als Dorfpfarrer und arbeitete unter anderem als Religionslehrer in Schopfheim. Denn in Wies, so sagte er, habe es ihm am besten gefallen. Hier kümmerte er sich um die örtliche Geschichte, den Fremdenverkehr und bewahrte zusätzlich das Werk des Kühlenbronner Dichters und Landwirts Philipp Würger vor dem Vergessen. In Wies ist Pfarrer Ludwig Simon Ehrenbürger, hier fand er vor zwölf Jahren seine letzte Ruhestatt. Sein Sohn Karl-Ludwig - ebenfalls Pfarrer von Beruf - lebt in Stockmatt, hält das Vermächtnis seines Vaters wach. Nicht umsonst hatte Karl-Ludwig Simon jede Menge Geschichte(n) im Gepäck, als er zum „Krone"-Frühschoppen über seinen Vater referierte.

„Er war für mich wie ein väterlicher Freund", erinnerte sich Wies' Bürger­meister Horst Wezel, ab 1970 unmittelbarer Nachbar des streitbaren Pfarrers. Simons „legendäre Standhaftigkeit" bleibe ihm unvergessen. Sehr persönliche Worte wählte auch Peter Reinelt, ehemals Staatssekretär und SPD-Landtagsabgeordneter. „Unbedingtheit und echte Streitkultur" attestierte er dem Pfarrer, „und er hat die Jüngeren gelehrt, sich zu Wort zu melden". Reinelt weiter:
„Er hat dem Volk aus Mal geschaut, aber niemandem nach dem Mund geredet."

In Wies jedenfalls ist der Gottesmann unvergessen. Und seine Vermächtnis bleibt: „Meldet euch zu Wort!"



Bericht. BZ / Tim Nagengast

 

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