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Anlage von überragender Bedeutung
Neueste
Erkenntnisse von Werner Störk zum Verteidigungssystem
rund um Neuenweg / Schlossboden verlangt Neubewertung.

Blick über die Quadratschanze am Hau-Pass in Richtung Belchen. Foto: Sattelberger
In seinem neuesten
Vortrag über das Verteidigungssystem mit verschiedenen Wall- und
Schanzanlagen rund um Neuenweg präsentierte Werner Störk ganz neue
Erkenntnisse und Hypothesen zu den Anlagen bei Neuenweg, die die
zahlreichen Zuhörer beim Krone-Frühschoppen während mehrerer Stunden in
Atem hielten.
Störks wichtigste
Erkenntnis war, dass der neu entdeckten Anlage auf dem Neuenweger
Schlossboden wohl eine entscheidende Bedeutung zukommt, die bisher in der
historischen Forschung nicht hinlänglich beachtet werden konnte. Seit 2002
erforscht Werner Störk nicht nur Mineralogie und Bergbau in unserer
Region. Darüber hinaus hat er sich in der Geschichtsforschung besonders
durch die Erforschung der Schanzanlagen des so genannten "Türken-Louis"
(Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden,geboren 8. April 1655 in Paris,
gestorben 4. Januar 1707 in Rastatt) einen Namen gemacht. Durch immer
wieder neue Hinweise aus der Bevölkerung, in Neuenweg besonders durch die
Hinweise von Erwin Eiche, konnten die vorliegenden Erkenntnisse über die
Anlagen auf dem Hau entscheidend ergänzt und komplettiert werden. Das
Auffinden bisher nicht bekannter Anlagen auf dem Schlossboden ermöglicht
jetzt, nach Werner Störk, eine völlig neue Bewertung des
Verteidigungssystems unterm Belchen.
Neuenweg ist durch die west-östliche Verbindungsachse über Eckpass und
Haupass sowie über die Achse Kleines Wiesental – Hochrhein / Schweiz als
strategisch wichtiger Knotenpunkt bekannt. Die Erkenntnis, dass der
Silberbergbau im Hinteren Kleinen Wiesental weitaus ergiebiger (und
einträglicher) war, als in der Literatur belegt, lässt vermuten, dass die
Herren von Rötteln schon im 13. Jahrhundert ihre Präsenz in Neuenweg
sichtbar dokumentieren und demonstrieren wollten. Das nordwestlich
gelegene Gewann "Schlossboden" legt die Vermutung nahe, dass hier ein
mittelalterlicher Wohn- und Wehrbau bestand.
Der "Schlossboden" liegt unmittelbar an einem Passweg und an der engsten
Stelle des ganzen Tales. Es ist der einzige Punkt, von dem aus alle
relevanten Beobachtungs- und Kontrollpunkte visuell und räumlich schnell
erreicht werden können. Bei aufwändigen Begehungen vor Ort, Vermessungen
und Lidar-Aufnahmen konnte Werner Störk im Gelände eine gewaltige
Ringwall-Anlage auf dem Schlossboden mit Eck und Nordflanke des Spitzkopfs
nachweisen. Die Gesamtfläche der Anlage umfasst 186 000 Quadratmeter mit
einer Gesamtlänge der Wall- und Kommunikationsanlagen von 4100 Metern.
Nach Begehungen und den von Werner Störk vorgenommenen Nachbauten am
Modell zeigt sich eine idealtypische Festungsanlage, die über Jahrhunderte
hinweg als "Schlüssel" für das Neuenweger Verteidigungssystem angesehen
werden kann. "Da der Schlossboden für die Anlage eines Bolzplatzes aber
teilweise begradigt und eingeebnet wurde, kann eine endgültige Klarheit
über diese Annahme erst durch eine professionell geführte Grabung
hergestellt werden", erläuterte Werner Störk bei seinem Vortrag.
Eine graphische Einordnung des "Schlossbodens" in das Schanzsystem bei
Neuenweg lässt diese Annahme fast als Gewissheit erscheinen. Alle
Schanzanlagen – ob Stern- oder Viereckschanze auf dem Hau, Holderschanze
oder Spitzkopf – sind vom Schlossboden aus einsehbar. Gleichzeitig boten
Hau, Holder, Eck und Schlossboden eine ideale Sicherung aller Pässe. Da
der "Schlossboden" außerhalb der Verteidigungslinie des "Türken-Louis"
liegt, darf angenommen werden, dass der Schlossboden – auch wegen seiner
herausgehobenen strategischen Lage – der Ort war, von dem aus die weiteren
Anlagen geplant wurden. Bei allen späteren Kriegszügen aus Frankreich über
das Territorium der Markgrafschaft über Neuenweg in den Bereich des
katholischen Habsburgerreichs (Schönau) zeigt sich die überragende
Bedeutung der Anlage des Schlossbodens für die Verteidigung der Pässe bei
Neuenweg. "Damit ist die Bedeutung Neuenwegs als verkehrspolitischer,
geopolitischer, mineralogischer und konfessioneller Dreh- und Angelpunkt
sowie als militärisch-strategischer Brückenkopf über die Jahrhunderte
belegt", hielt Werner Störk zum Schluss seines Vortrags fest. "Und mit dem
Ensemble der Schanz- und Verteidigungsanlagen mit dem Schlossboden als
strategischem Schlüssel besitzt Neuenweg ein historisches
Alleinstellungsmerkmal".
Werner Störk ist nicht nur Forscher. Auch als Mahner für eine gewaltfreie
Zukunft macht er sich verdient. So erinnerte er daran, dass die
norwegische Akademie der Wissenschaft schon 2008 errechnet hat, dass seit
dem Jahr 3600 vor Chr. insgesamt 14 513 Kriege stattgefunden haben mit
mehr als drei Milliarden Toten. Von den 5 508 Jahren waren nur 293 Jahre
ohne Krieg. Es möge daran erinnern, wie privilegiert diese Generation sei,
ohne Kriege – zumindest in Mitteleuropa leben zu dürfen.
Bericht: BZ/Dirk Sattelberger
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