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„Nichts anderes als ein Protest gegen die
Kirche“
Der Zeller Fasnachtskundige, Buchautor und
Alt-Hürus Uli Merkle
zum Vortrag über die Entstehung und Entwicklung der Tegernauer Fasnacht.

Hans Viardot (KuK) dankte Referent Uli Merkle für
die spannenden Ausführungen beim „Krone“-Frühschoppen.
Foto: Gudrun Gehr
Zum Frühschoppen in die „Krone“ war dieses Mal
der Zeller Fasnachtskundige, Buchautor und Alt-Hürus Uli Merkle aus Zell zum
Vortrag über die Entstehung und Entwicklung der Tegernauer Fasnacht eingeladen.
Bereits 2007 hatte Merkle über die jahrhundertealten Bräuche rund um die
regionale Fasnacht berichtet. In seinem Buch „So sin mir - Die Zeller Fasnacht“
werden die Spuren der Kleinwiesentäler Fasnacht beleuchtet und die Rätsel um die
verschiedenen Fasnachtstermine rund um die (evangelische) Buure- und
(katholische) Herrefasnacht gelüftet.
Im Nu hatte der Referent die Gäste mit dem spannenden Thema in seinen Bann
gezogen. Redewendungen „Hintedri wie die alti Fasnacht“ verdeutlichen die
verschiedenen Fasnachtstermine. Nicht richtig ist, dass die Fasnacht etwas mit
„Winteraustreiben“ zu tun hat. „Fastnacht“ ist die Nacht vor der Fastenzeit,
also der Dienstag vor dem Aschermittwoch. Die „fünfte Jahreszeit“ heißt je nach
Region Fasnacht, Fasnet oder Fasenacht, in Bayern nennt man ihn „Fasching“. In
Basel wurde 1285 erstmals der Begriff „Vasinat“ erwähnt. Auch Fasching hat seine
Wurzeln in den Wörtern „Vastschang“ und „Vaschanc“. Hier liegt das Wort
„Ausschank“ während der Fastenzeit zugrunde.
„Karneval“ sei ein neumodisches Wort und stammt vom italienischen Carnelevale
(Fleischwegnahme). Die Abwandlung „Carneval“ fand erst um 1800 Einzug nach
Deutschland. Was wird eigentlich gefeiert? Merkle meinte: „Fasnacht ist nichts
anderes als der Protest gegen die Kirche.“
Die Ängste der mittelalterlichen Bevölkerung wurden durch die Kirche geschürt.
Dann stand auch noch die 40-tägige strenge Fastenzeit vor der Türe. Das war
Grund für das gegängelte Volk, Druck abzulassen. Der erste Grund für die
Fasnacht war Anarchie, der zweite Grund deren Kommerzialisierung. In den
Fastentagen durfte weder Fleisch, Alkohol, Eier, noch in Fetten gebackene Waren
verkauft werden.
In den „tollen Tagen“ verweigerten sich die Bürger dagegen und konsumierten
diese Nahrungsmittel. Merkle meinte: „Hier wurde gefressen und gesoffen, soviel
reingegangen ist.“ Bäcker, Metzger und Brauer bemühten sich, ihre Produkte noch
rechtzeitig „unters Volk zu bekommen“.
Befleckt und unbefleckt
Wie protestiert man gegen die Kirche? Alles wurde umgedreht. Die unbefleckte
Maria wurde mit „befleckten“ Kostümen, dem „Flecklihäs“, dargestellt. Maskierte
verwendeten Kostüme als Geißböcke, die als Symbol für den Teufel galten. Es
erfolgten Verkleidungen als Hexen, Geister und Dämonen. Ebenfalls Todsünden
wurden mit Hahnenkämmen, Fuchsschwänzen oder Narrenkappen dargestellt. Auch die
häufig an Fasnacht verwendeten „Saubloodere“ galten als Symbol für die Unzucht.
In diesem Zusammenhang sind auch die Redewendungen „fuchsteufelswild“ oder „De
Teufel isch ä Eichhörnli“ bekannt. Kaum vorstellbar, dass das harmlose
Eichhörnchen damals als teuflisches Symbol galt. Die Farben gelb und rot, die
einst ausgegrenzte Menschen wie Bettler, Huren, Kranke oder Gauner außerhalb der
Stadtmauern trugen, wurden von den Narren bevorzugt verwendet. Merkle hatte
festgestellt: „Die Kirche hatte die Zahl elf vermieden wie der Teufel das
Weihwasser“. Also gründete man einen Elferrat oder startete die Fasnacht am „Ölfde
Ölfde“. Auch wurden heidnische Bräuche wie das „Schiibefüür“ als Protest gegen
das Osterfeuer der Kirche wieder eingeführt.
Die Dominanz der Kirche entfiel nach der Reformation. In evangelischen Gegenden
schlief die Fasnacht häufig ein. Seit 1556 ist Tegernau evangelisch. Merkle
sagte: „In Köln bildete sich 1823 ein festordnendes Komitee.“ Es wurde das
französische Militär verulkt. Galionsfigur der Fasnacht wurde „Prinz Karneval“,
der einen Feldherrn imitieren sollte. Es entstanden „Ranzengarden“ oder
„Funkenmariechen“.
War’s die Reformation?
Diesen Einflüssen konnte sich auch die regionale Fasnacht nicht verschließen.
Merkle sagte: „Carneval wurde Mode.“ Auch Fasnacht in Freiburg oder die Basler
Fasnacht wurde zum „Carneval“.
Auf dem Konzil von Benevent im Jahr 1091 wurden die sechs Sonntage vor Ostern
aus der Fastenzeit entfernt, wodurch sich alles um eine Woche verschob. Daraus
resultiert der Unterschied der „Herrefasnacht“, die am „feise Dunnerschdig“
begann und am Aschermittwoch endete, im Gegensatz zur „alten Fasnacht“, die nun
als Buurefasnacht oder Basler Fasnacht eine Woche später stattfand.
Hans Viardot von „KuK“ referierte über die historische Bedeutung der
traditionellen „Uscherete“ (Auskehr) jeweils am Fasnachtsdienstag, wo Maskierte
in Tegernau einst von Gasthaus zu Gasthaus zogen. Viardot versuchte, Licht ins
Dunkel um die Anfänge der Narretei im Kleinen Wiesental zu bringen und
vermutete, dass der Brauch der „Uscherete“ ein Überbleibsel der Reformation ist.
„Es muss Spaß machen“
Leider werde der Brauch in Tegernau kaum mehr gepflegt. Auch Uli Merkle
pflichtete ihm hier bei. „Interessanterweise findet in Tegernau die Fasnacht zum
neuen Termin statt.“ Das spreche dafür, dass die „Uscherete“ ein
vorreformatorischer, katholischer Brauch ist. Aber Merkle gab zu bedenken: „Es
muss nicht immer eine große historische Überlegung dahinter stecken.
Schlussendlich wollte man Fasnacht machen, weil es Spaß machte.“
Hans Viardot zitierte einen alten, rustikalen Tegernauer Fasnachtsreim: „Aldi
Frau vu Dägernau het Hoor am Buuch wie Haberstrau / Risst m’rs uss, noch duet’s
ere weh / haut m’rs ab, no wachst no meh.“
Bericht: MT/Gudrun
Gehr
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