Beim Frühschoppen von Krone und Kultur (KuK) Kleines
Wiesental konnte Hans Viardot den Lokalhistoriker Hansjörg Noe begrüßen.
Viele Besucher interessierten sich im Tegernauer Krone-Saal für das neue
Buch "Mitgelaufen – NS-Geschichte der Ortschaften im Kleinen Wiesental".
Der Autor berichtete über die Befragungen der 25 Zeitzeugen und skizzierte
das Lebensbild der Bevölkerung von 1933 bis 1945. Die Zeitzeugen wurden
nicht zur Veranstaltung gebeten – dies hätte den zeitlichen Rahmen des
Frühschoppens weit überstiegen.
Vorarbeit von KuK: In seiner Begrüßung erläuterte Hans
Viardot die jahrelangen Vorarbeiten zur Aufarbeitung des schwierigen
Themas vom Verein KuK, unter anderem mit den Werwolfmorden in Elbenschwand
und der Stiftung und der Betreuung des Mahnmals. Der Verein leistete für
die Recherchen von Lokalhistoriker Hansjörg Noe auch finanzielle
Unterstützung. Die Herausgabe des Buches hat der Geschichtsverein
Markgräflerland übernommen. Der Autor stellte klar: "Ich will bei meinen
Recherchen niemanden angreifen oder beurteilen, meine Aufgabe als
Historiker ist die Beschreibung." Zu unterscheiden galt es bei seinen
Nachforschungen grundsätzlich zwischen NS-Aktivisten und Mitläufern.
Innerhalb seiner Studien hatte er eine Vielzahl von Spruchkammerverfahren
untersucht. Die Revisionsverhandlungen zogen sich oft mehrere Jahre hin,
bis die meisten Personen "persilweiß" waren und als niederschwellige
"Mitläufer" klassifiziert wurden. Doch auch ein überzeugter
Nationalsozialist wie der aus Maulburg stammende Autor Hermann Burte
erlangte auf diesem Weg eine Einstufung als "Mitläufer".
Subjektives Empfinden: Die Aussagen der befragten Zeitzeugen seien vor dem
Hintergrund ihres damaligen kindlichen oder jugendlichen Alter zu
bewerten, sagte Noe. Die älteste Auskunftsperson ist Jahrgang 1919.
Herausgearbeitet hat Noe, dass die Indoktrination der Kinder bereits in
frühester Schulzeit durch die oft aktiven Nazis in der Lehrerschaft
erfolgte. Die Aussagen der Zeugen wie "Damals vor Hitler ging es allen
schlecht" oder "In der Schule wurden wir auf Hitler getrimmt" müssten
entsprechend ihres Beurteilungsvermögens bewertet werden. Auch eine Person
in gelbbrauner Uniform, die als "Goldfasan" bezeichnet wurde, ist im
Erleben des kindlichen Zeugens als Rückerinnerung, quasi als Resonanz,
vorhanden. Hansjörg Noe meinte zu seinen Quellen: "Wir sollten
nachempfinden können, was in den Köpfen der Leute vor sich ging."
Inbesitznahme der Jugend: Noe spannte einen Bogen über die verschiedenen
Kapitel seines 170-seitigen Buches. Die Inbesitznahme der Jugend erfolgte
mit den NS-Jugendorganisationen den "Pimpfen", der "Hitlerjugend (HJ)",
den "Jungmädel" oder über den "Bund Deutscher Mädel". "Die Mitgliedschaft
in den NS-Jugendorganisationen war sicherlich aufregender, als das Lesen
eines Hitler-Buches, das in der Schule als Belohnung für einen guten
Aufsatz vorgesehen war", sagte Noe. Als Mitglieder der HJ durften die
Jungs bereits in Maulburg Modellflugzeuge basteln und in Gersbach den
attraktiven Flugschein für Hängegleiter machen. Die Mädchen erfuhren eine
erste Freiheit mit dem erlaubten Ausgang vom Elternhaus, um sich mit
Gleichaltrigen bei Zeltlagern, Einstudieren von Volkstänzen oder dem
gemeinsamen Baden im Eiemer See zu treffen. Das streng verbotene Hören von
Auslandssendern war für erfindungsreiche Tüftler mit einem
Kristallempfänger möglich, der ohne Batterien funktionierte.
Von Evakuierungen bis zum Kriegsende: Evakuierte Bauern der Rheindörfer
aus Auggen, Britzingen und Istein suchten zeitweise im Kleinen Wiesental
Aufnahme. Die Flucht nannte das NS-System beschönigend "Rückführung" in
ein weniger gefährdetes Gebiet. Die Folge war, dass die Kleinwiesentäler
Bauern ihren Hof, ihre Nahrung und ihre Ställe mit den Zugereisten teilen
mussten. Auch bei den Belchehöfen fanden "Bombenjungen" aus den zerstörten
Großstädten und weitere Kinder aus der "Kinderlandverschickung" Zuflucht.
Am Kriegsende im April 1945, erlebten die Wieser den Einmarsch von
Marokkanern und Franzosen, die über das Lipple hereinkamen. Eine junge
Frau wurde in diesem Zeitraum nach dem Besuch des Gottesdienstes in
Tegernau auf dem Weg nach Eichholz von einem Marokkaner ermordet.
Nie mehr rechts: Noes Antwort nach seiner Motivation, das Buch zu
schreiben, lautete: "Nie mehr rechts."
Hans Viardot bedankte sich bei Noe mit einem Buchpräsent "Wie es einmal
war im Schwarzwald" von Gerald Nill.