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Die
Mitschuld der Denunzianten
Zum Vortrag über
die Opfer des Nationalsozialismus brachte
Hansjörg Noe eine weiße Rose als Symbol für das Leben.
Hansjörg Noe erinnerte an die Menschen, die im Landkreis Lörrach Opfer
des Nationalsozialismus wurden. Foto: Heiner Fabry
"Ich habe eine weiße
Rose mitgebracht", erklärte Hansjörg Noe zu Beginn seines Vortrags über
die Opfer des Nationalsozialismus im Landkreis Lörrach. "Damit möchte ich
ein kleines Symbol für das Leben setzen, angesichts des Bedrückenden des
Berichts, den ich geben will."
In der Tat löste der
Bericht von Hansjörg Noe bei den Zuhörern im Wirtshausmuseum "Krone" in
Tegernau Bedrückung und Beklemmung aus, angesichts des Leids, das über
viele Menschen und ihre Familien gekommen war. Wichtig, ja notwendig war
der Vortrag aber allemal.
Dass es in der Zeit der Naziherrschaft auch im Landkreis Lörrach Opfer
gab, wird nicht verwundern. Die konkrete Schilderung der Schicksale der
betroffenen Menschen führte die Zuhörer aber in eine tiefe, fast
persönliche Konfrontation mit dem Leid und dem Unrecht, das diesen
Menschen widerfuhr. Hansjörg Noe verzichtete auf einen "historischen"
Vortrag mit einer Schilderung der Chronologie entlang von Jahreszahlen,
Strukturen und geschichtlichen Entwicklungen, sondern stellte die
einzelnen Menschen und Familien in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.
Dadurch schuf er "Momentaufnahmen", die in ihrer Summe und ihren
impliziten Zusammenhängen nur umso bedrückender wirkten.
Aus allen Gruppen von Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus
systematisch verfolgt und teilweise ermordet wurden, gibt es auch im
Landkreis Lörrach Opfer. Hansjörg Noe erinnerte an das Schicksal der
"Ernsten Bibelforscher" (heute: Zeugen Jehovas), die schon früh ins Visier
der Nationalsozialisten gerieten. Die Nähe zur Schweiz wurde von den
Lörrachern Zeugen Jehovas genutzt, um Schriften der Gemeinschaft ins Reich
zu schmuggeln und hier zu verbreiten. Hansjörg Noe erinnerte an die
Familie Denz, die beim Schmuggel erwischt, vor Gericht gestellt und
verurteilt wurde. Vater Oskar Denz kam ins Lager nach Mauthausen, wo er an
den Folgen medizinischer Experimente starb. Seine Frau Maria kam ins Lager
Ravensbrück, wo sie totgeschlagen wurde, weil sie sich als Pazifistin
weigerte, Pullover für Soldaten zu stricken.
Verfolgt wurden ebenfalls Sozialdemokraten und Kommunisten, wie der
Referent ausführte. Robert Kärli, der für die KPD agitiert hatte, wurde
ins KZ Dachau gesteckt und bei Kriegsende dort befreit. Intensiver ging
Hansjörg Noe auf die Verfolgung der Juden im Landkreis ein und schilderte
detailliert, wie die in Lörrach verbliebenen Juden zusammengetrieben und
nach Gurs in Südfrankreich abtransportiert wurden.
Aus Briefen, die Lagerinsassen an Verwandte schrieben entstand ein tief
erschütterndes Bild von den Zuständen, unter denen die Menschen dort
hatten leben müssen, bevor die Überlebenden während des Krieges nach
Auschwitz gebracht wurden, um dort umgebracht zu werden. Auch die
Euthanasie hatte im Kreis ihre Spuren hinterlassen, als viele der
behinderten Menschen aus dem Heim in Herten 1939 nach Grafeneck verbracht
und dort ermordet wurden. Hansjörg Noe erwähnte eine Besonderheit eher am
Rande, stellte sie nicht in den Mittelpunkt, die aber dennoch einen mehr
als bedrückenden Eindruck hinterließ. Sieht man von den Fällen ab, bei
denen Menschen beim Schmuggeln an der Grenze gefasst wurden, gingen fast
alle Verhaftungen und in der Folge Verurteilungen auf Denunziationen aus
der Bevölkerung zurück.
"Alleine mehr als 670 Verurteilungen gab es im Kreis wegen des Hörens
verbotener Radiosender", berichtete Hansjörg Noe, Fälle die jeweils auf
Denunziationen von Nachbarn, Bekannten und Verwandten zurückgingen.
"Was hat Menschen zu diesen Anzeigen bewogen?", fragte sich der Referent,
Anzeigen von denen sie doch keinerlei persönlichen Nutzen hatten. Eine
Lörracher Familie wurde vor Gericht gestellt, weil sie bei einem Ausflug
nach Rötteln in einer Gartenwirtschaft mit einer jüdischen Familie
gesprochen hatte (!), was verboten war. Von Bekannten am Nachbartisch
wurden sie angezeigt.
Die Denunziation eines Liebesverhältnisses, das eine Brombacherin mit
einem polnischen Zwangsarbeiter unterhielt, brachte die Frau ins
Straflager. Der Zwangsarbeiter wurde öffentlich gehängt, wobei alle
Zwangsarbeiter aus dem Wiesental nach Brombach gebracht wurden, um bei der
Exekution zusehen zu müssen.
Auch und gerade hier liegt das Bedrückende, Niederdrückende der
Forschungsergebnisse, die Hansjörg Noe in mühsamer Kleinarbeit
zusammengetragen hat.
Dass es Täter gab, wissen wir. Was erschrecken kann und muss, ist die
Erkenntnis, dass den Tätern von vielen, sehr vielen in die Hände
gearbeitet wurde. Auch das gehört zu einer Geschichte dazu. Viele haben
sich im Verborgenen schuldig gemacht. Hansjörg Noe hat ein bedrückendes,
aber ein sehr notwendiges und wichtiges Kapitel unserer Regionalgeschichte
aufgeschlagen.
Bericht: BZ/Heiner Fabry |