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Tegernauer erinnern sich an Gas-Unglück in Kirche
Am
20. November 1935 hat es in der Tegernauer Laurentius-Kirche ein schlimmes
Kohlenmonoxid-Unglück gegeben. Zeitzeugen erinnern sich an dieses
denkwürdige Ereignis.

Die Tegernauer Laurentiuskirche. Bild: Archiv BZ
Zum 82. Mal jährt
sich am 20. November das Unglück in der Tegernauer Laurentiuskirche, bei
dem über 100 Gottesdienstbesucher Gasverletzungen erlitten. Dass das
Unglück noch nicht aus dem Gedächtnis der Bevölkerung verschwunden ist,
zeigte am Sonntag der Vortrag von Hans Viardot von KuK unter dem Motto
"Heimatkunde pur".
Am 20. November 1935, dem Buß- und Bettag, besuchten 150 Personen aus dem
Kirchenbezirk den Gottesdienst in Tegernau, und nahmen hierfür oft
stundenlange Fußmärsche in Kauf. Die Gresgener, die ebenfalls zur
Tegernauer Gemeinde gehörten, kamen an diesem Tage allerdings nicht zum
Gottesdienst, da im dortigen Kirchlein für den Nachmittag ein Gottesdienst
angesetzt war. Über das Unglück wurde in der Tagespresse damals an drei
aufeinanderfolgenden Tagen ausführlich berichtet. Hans Viardot wurde auf
der Suche nach Material für seinen Vortrag weiterhin in einer bislang
unbekannten Veröffentlichung fündig.
Ablauf des Unglücks
Der damalige Gottesdienst begann um 10 Uhr. Bereits beim Betreten der
Kirche stellten die Besucher einen ungewöhnlichen Geruch fest, irgendwie
roch es nach "Latrine". Bereits nach 15 Minuten verließ ein 14-jähriger
Junge wegen Unwohlseins die Kirche. Es folgten zeitnah weitere Personen,
vor allem Kinder und Frauen. Sie klagten über Schwindel und suchten
teilweise Nachbarhäuser auf. Der Gottesdienst wurde zunächst fortgesetzt,
je länger dieser dauerte, desto größer wurde die Anzahl der Personen, die
die Kirche verließen, zuletzt waren es ganze Gruppen. Teilweise fielen die
Besucher auch in der Kirche um. Schwankend und von anderen gestützt
erreichten einige die umliegenden fünf Gasthäuser. Alle rund um die Kirche
liegenden Häuser glichen bald Krankenstuben. In den Gasthäusern versuchte
man, den Leidenden mit Branntwein und Kaffee zu helfen. Zwischenzeitlich
war Pfarrer Hack am Altar zusammengesunken, rasch verließen die übrigen
Besucher die Kirche.
Hilfsmaßnahmen
Der Tegernauer Arzt Hans Griesau erkannte die Ursache und das Ausmaß des
Unfalls und rief weitere Hilfe herbei. Im damaligen Schulhaus, jetzt
Feuerwehrhaus, wurde ein Lazarett eingerichtet. Mehrere Sanitätskolonnen
und ärztliches Personal aus Schopfheim, Lörrach und Grenzach, schafften
Sauerstoffapparate herbei. Mit etwas Verzögerung trafen weitere Notrufe
aus den entlegenen Heimatgemeinden der Besucher ein. Manche hatten sich zu
Fuß auf den Heimweg gemacht, wobei die Vergiftungserscheinungen beim
Anstieg auf den Berg erst richtig zum Ausbruch kamen. Allein bei Holl
waren sieben Personen auf der Straße zusammengebrochen. Spät am Abend
wurden noch Notfälle aus weiteren Gemeinden gemeldet, so dass auch dort
Sanitätspersonal benötigt wurde. Nach Sallneck wurde für die zahlreichen
Betroffenen ein Sauerstoffapparat gebracht.
Ursache des Unglücks
Mehrere Ursachen wurden damals vermutet. Möglicherweise war ein Rohr der
beiden Öfen in der Kirche defekt, beim hinteren Ofen war das Rohr mit 16
Metern zu lang, oder die Ausmündung des Schornsteines war ungünstig. Auch
wurde vermutet, dass nur einer der beiden Öfen zum Gottesdienst angeheizt
war und die giftigen Gase über den Kamin in das Rohr des unbeheizten Ofens
gelangten. Nicht auszuschließen ist, dass der Kirchendiener frühmorgens
mit Zeitungen anheizte und auf die unzureichende Glut zu früh Koks
auflegte, der dann zu schwelen begann. Hierbei bildete sich Kohlenmonoxyd,
das in den Kirchenraum austrat. Das schwere Gas verbreitete sich zunächst
am Boden und stieg erst langsam zur Empore auf. Daher waren die Männer,
die sich dort aufhielten, auch weniger betroffen.
Aussagen von Zeitzeugen
Herbert Baier, Altbürgermeister aus Bürchau und Kreisrat, übermittelte die
Erinnerungen seiner Mutter Elsa, geborene Schlageter, aus Sallneck,
Jahrgang 1921, damals eine der 44 Konfirmanden im Gottesdienst.
Tatsächlich hatte die Zeitzeugin in ihren Unterlagen den "Gemeindeboten"
vom Januar 1936 aufgehoben, in welchem Pfarrer Hack vom Unglück berichtete
und Gott dankte, dass niemand zu Tode kam. Herbert Baier las hieraus
Auszüge vor. Seine Mutter war damals mit ihrem Vater, der auf der Empore
saß und keine Beeinträchtigungen hatte, in der Kirche. Auf dem Heimweg
nach Sallneck wurde sie ohnmächtig und wurde in das Haus des dortigen
Bürgermeisters gebracht. Dort wurde sie von Dr. Griesau ärztlich versorgt.
Unmittelbar nach dem Unglück wurden auf behördliche Anweisungen technische
Änderungen im Heizsystem vorgenommen. Besucher des Frühschoppens war
Pfarrer Christian Rave. Er äußerte sich augenzwinkernd: "Unsere Kirche
wird bald an das Fernwärmenetz angeschlossen. So etwas kann dann nicht
mehr passieren."
Bericht: BZ / Gudrun Gehr
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