zurück |
|
Die Chronik der sonntäglichen "Krone - Frühschoppen" |
|
Hebels erhobener Zeigefinger
Markus Manfred Jung
und Wernfried Hübschmann
Markus Manfred Jung
(links) und Wernfried Hübschmann zeigten, was sich aus Hebels
Kalendergeschichten "Johann Peter Hebel ist zeitlos und daher auch zeitlos modern". Mit diesem Satz begrüßte Hans Viardot die trotz strahlendem Sonnenschein zahlreich erschienenen Gäste im Wirtshausmuseum Krone in Tegernau zum literarischen Frühschoppen am Sonntag. Geladen waren die Autoren Wernfried Hübschmann und Markus Manfred Jung zu einer besonderen Lesung. Beide Schriftsteller sind tief verwurzelt in den Werken Hebels und hatten einige Geschichten, aber auch Informationen über die Bedeutung und Hintergründe der Kalenderblätter im Gepäck. Bis zum Jahr 1803 erschien dieses Werk unter dem Namen "Kurfürstlich Badischer gnädigst privilegierter Landkalender für die badische Markgrafschaft lutherischen Anteils". "Johann Peter Hebel gestaltete die sogenannten Kalenderblätter ab 1803, seinen letzten Kalender produzierte Hebel im Jahre 1819, dieser ist aber nicht in Umlauf gebracht worden", erläuterte Hübschmann. Die Kalendergeschichten beinhalten meist einen didaktischen Hinweis, der sich beim Lesen automatisch erschließt. Voller Humor und Nähe zum Bürger lassen sich diese Kurzgeschichten in die eigenen Lebenserfahrungen einbinden. "Hebels Haltung gegenüber dem Leser ist immer freundlich, trotz erhobenen Fingers", erklärte Wernfried Hübschmann weiter, bevor er die Geschichte "Der Maulwurf" aus dem Jahr 1807 in bester Sprechermanier präsentierte, die als Pointe darauf hinausläuft, dass man nie zu vorschnell urteilen sollte und die Betrachtung verschiedener Ansichten sehr wichtig ist, um sich eine ausgewogene Meinung zu bilden. Gut versorgt mit solchen Informationen konnte man der Stille im Raum entnehmen, dass die Zuhörer ganz den Ausführungen folgten und eine andere Art des "Zuhörens" erleben durften. Markus Manfred Jung erklärte sein persönliches Verhältnis anhand der Geschichte "Die Ohrfeige", in der der Satz vom Vater "lügst Du wieder, willst Du noch eine?" der häuslichen Gewalt ihre verlogene Maske entriss. "Mit 26 Worten hält Hebel hier den Menschen einen Spiegel vor", so Jung in seinen Ausführungen, und er unterstrich dies vorzüglich in Alemannisch mit der Geschichte "Glimpf geht über Schimpf", die aufzeigt, dass man Glimpf eben nicht mit Schimpf beantworten sollte, sondern lieber alternative Wege gehen und Großherzigkeit zeigen darf. Und so äußerte sich auch Hebel über die Kalenderblätter: "Ein wohlerzogener Kalender will sein ein Spiegel dieser Welt." Beide Autoren erzeugten in dem historischen Gasthaus eine Mischung aus der Magie der Worte und der Aufklärung über deren Bedeutung und konnten damit den Gästen eine Sicht auf die Kalenderblätter geben, die so manchen animierte, sich in Zukunft näher damit zu beschäftigen. Im Anschluss bekamen die Besucher noch die Gelegenheit, sich mit Wernfried Hübschmann und Markus Manfred Jung fachlich auszutauschen, was dieser Veranstaltung einen runden Abschluss bescherte.
Original-Bericht: BZ / Martin Klabund
|
|