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Als
das Gasthaus ein Kulturhaus war
Michael Fautz
berichtete über die einstige Bedeutung der Wirtshäuser
im Markgräflerland / 600 000 Dokumente im Archiv.
Das Gasthaus „Ochsen“ in Tegernau auf einem Foto von 1934 Foto: privat
Mit "Wirtsleute und
Gäste anno dazumal im Markgräflerland" konnte Michael Fautz aus Hauingen
im Wirtshausmuseum "Krone" in Zeiten entführen, als die Wirtschaften noch
kultureller Mittelpunkt eines jeden Dorfes waren. Die Wirtshäuser hatten
einst eine große kommunikative und soziale Funktion.
Als bester Kenner
der Markgräfler Wirtschaften mit einem Fundus von über 600 000
geschichtlichen Belegen in Form von Fotos, alten Postkarten, Urkunden,
Speisekarten, Büchern und Broschüren konnte Michael Fautz die "Krone"-Besucher
mit seinem einmaligen Spezialwissen in den Bann ziehen. Der
Veranstaltungsort hätte nicht besser gewählt sein können: Die Tegernauer
"Krone" gilt als eine der besterhaltenen historischen Dorfwirtschaften.
Anhand vieler historischer Fotografien dokumentierte Fautz, wie die Gäste
per pedes, mit geschmücktem Leiterwagen, mit Fahrrädern, Motorrädern,
Autos, Omnibussen, Rheinschiffen und seit 1907 mit der Bahn zu ihren
Wirtschaften kamen. Zudem hatten viele Wirtsleute eigene "Breaks" mit
vorgespannten Pferden oder einen eigenen Kutscherbetrieb
Tegernau-Schopfheim, wie die Wirtefamilie Hug von 1863 bis 1904 in der
Tegernauer "Krone".
Fautz zeigte Weinfuhren mit Pferdegespannen, riesige Weinkeller, etwa im
"Schlüssel" in Lörrach, Küferwerkstätten, Bierfuhren der Brauereien
Reitter und Lasser in Lörrach und Herbster in Schopfheim, große Küchen mit
weißbeschurzten "Küchenbrigaden", imposante Wirte und in Markgräfler
Tracht arbeitendes Servicepersonal. Und immer prangte irgendwo auf einem
Hut oder auf einer Tafel der Paragraph 11: "Es darf weiter getrunken
werden".
Beeindruckend waren Fotos einer Metzgete in der "Sonne" in Wieslet, vom
vornehmen "Römerbad" in Badenweiler, vom einmaligen "Pflugsaal" in
Schopfheim, vom "Kurhaus" Schweigmatt oder vom Bürchauer "Kranz" mit
eigenem Schwimmbad. Experte Fautz zeigte handgeschriebene Speisekarten von
Adolf Glattacker oder vom "Drei König" in Schopfheim zu Ehren des
Großherzogs Friedrich am 9. September 1896.
Die Feste und Veranstaltungen wie Hochzeiten, Konfirmationen, Tanzkurse,
Radfahrertreffen, Bezirksrätetreffen, Back-, Koch- und Nähkurse,
Musterungen, Kegeln, Fasnachtskränzle oder "Liechtgänge uf em Wald" in den
Wirtschaften des Markgräflerland waren eindrücklich dokumentiert – nach
Harald Senn’s "Zeitgeschichte auf Glasplatten" war dieser 67. "Krone"-Frühschoppen
ein ganz besonderer Höhepunkt.
Bericht: BZ
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